Die spinnen, die Quantenpunkte

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Eine multidisziplinäre Forschungskooperation an der TU Dortmund nutzt die HPC-Ressourcen des HLRS, um das Verhalten subatomarer Teilchen auf fundamentaler Ebene besser zu verstehen. Bild: Philipp Schering, TU Dortmund.

Ein Team der TU Dortmund modelliert mithilfe von HPC, wie Laser die Spindynamik in Quantenpunkten regulieren könnten. Diese kleinen Strukturen könnten sehr dabei helfen, Quantencomputer und andere Spitzenelektronik zu verbessern.

Modern computing technologies enable researchers across many scientific domains to simulate phenomena that are too large, small, dangerous, or difficult to observe through experiment. In fact, supercomputing initiated a new golden era of particle physics research, playing an indispensable role in helping illuminate interactions at the atomic level and below.

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Seit den 1920er Jahren dokumentieren Wissenschaftler akribisch die Gesetze der atomaren und subatomaren Welt. Die sogenannte Quantenwelt funktioniert nicht nach den Gesetzen, die Isaac Newton zuerst aufstellte. Da moderne Forscher ein tieferes Verständnis der Quantenmechanik erlangt haben, haben sie Möglichkeiten identifiziert, die zu neuen Arten von Elektronik oder anderen Technologien führen könnten. Unter diesen vielversprechenden Fortschritten könnte das Quantencomputing, das über Quantenmechanik Informationen auf grundlegend andere Art und Weise verarbeitet als herkömmliche Computer, in der Zukunft bestimmte Forschungsbereiche und die Entwicklung neuer Anwendungen beschleunigen.

Während sich herkömmliche Computer auf umfangreiche Muster von Einsen und Nullen stützen, um Informationen in Bits zu übertragen, nutzen Quantencomputer sogenannte Qubits, Teilchen, die den Gesetzen der Quantenmechanik folgen. Jedes Qubit kann nach oben, unten oder in seiner „Superposition“ sein, das heißt, es repräsentiert gleichzeitig beide Positionen. Die Existenz dieser Zustände, bei denen Elektronen mehrere Positionen gleichzeitig einnehmen können, könnte für datenintensive Modellierung und Simulation vorteilhaft sein aber vorher ist ein weiteres Verständnis dieser kontraintuitiven Phänomene noch erforderlich. Die Wissenschaftler müssen auch Methoden entwickeln, um Quantenteilchen zuverlässig zu manipulieren und zu kontrollieren, insbesondere im Hinblick darauf, wie einzelne Elektronen „spinnen“ oder sich unter bestimmten Bedingungen ausrichten.

Um besser zu verstehen, wie sich subatomare Teilchen grundlegend verhalten und interagieren, nutzt eine multidisziplinäre Forschungskooperation mit Sitz an der TU Dortmund die HPC-Ressourcen des HLRS, um einige dieser komplexen Wechselwirkungen zu simulieren. Das Team arbeitet mit Forschern des internationalen Sonderforschungsbereichs 160 (ICRC 160) zusammen, der in St. Petersburg und Dortmund eingerichtet wurde, um zu untersuchen, wie die Spins von Elektronen (und die Spins größerer Kerne in der Nähe in einem gegebenen System) unter bestimmten Bedingungen interagieren und wie Lasertechnologien helfen könnten, diese Systeme zu manipulieren.

Seit kurzem konzentriert sich das Team auf Quantenpunkte. Forscher fanden heraus, dass Quantenpunkte, im Rahmen von Halbleitertechnologien entwickelt, unter den richtigen Bedingungen Elektronenspins kontrollieren können, womit sie sich für die Verwendung als Qubits in zukünftigen Quantencomputern eignen.

„Ein Quantenpunkt kann als Falle für ein einzelnes Elektron und damit für dessen Spin angesehen werden“, sagt Projektleiter Götz Uhrig, Professor an der TU Dortmund. „In einem Festkörper gibt es bis zu 1020 Elektronen, und ihre Spins verhalten sich so, dass sich nach außen kein Nettoeffekt ergibt; der Spin eines überschüssigen Elektrons kann jedoch nachgewiesen und manipuliert werden.“

Spins in Quantenpunkten besser verstehen

Wenn Physiker atomare Systeme untersuchen, ist ein Ansatz das strategische Hinzufügen oder Entfernen eines Elektrons, um die Eigenschaften zu bestimmen, die es dem System verleiht. Als die Forscher und Ingenieure mehr darüber lernten, wie man diese Systeme modifizieren kann, fanden sie relativ kostengünstige Methoden, Halbleiter auf Siliziumbasis herzustellen, die heute quasi überall in der Unterhaltungselektronik stecken.

In der Entwicklung neuer Arten von Elektronik, etwa Quantencomputer, setzen Wissenschaftler auf spezielle Halbleiter-Nanostrukturen, sogenannte Quantenpunkte, um Elektronen und ihre Spins besser so zu steuern, dass sie bestimmten Algorithmen folgen.

Innerhalb eines Quantenpunkts können Forscher mithilfe von Lasern oder anderen Technologien die Positionen der überschüssigen Elektronen im Raum fixieren, wodurch sich ihre Spins leichter manipulieren lassen. Auf experimenteller Ebene müssen Forscher, wie bereits erwähnt, die seltsame, neuartige Physik berücksichtigen, die die Quantenspins der Elektronen in ihren „Oben“- und „Unten“-Zuständen bestimmt.

Die Berücksichtigung von Superpositionen bedeutet letztlich, dass die Forscher für jeden Quantenpunkt Millionen von möglichen Zuständen der Elektronenspins berechnen müssen. Während die Simulation des Spins eines einzelnen Quantenpunkts bei der Wechselwirkung mit ungefähr Tausenden von Kernspins rechnerisch nicht allzu anspruchsvoll sein mag, müssen bei einer aussagekräftigen Simulation oder einem Experiment Tausende von Quantenpunkten auf einmal berücksichtigt werden.

Picture of of electronic spin polarization

Dieses Bild zeigt die Entwicklung der elektronischen Spinpolarisation im Zeitverlauf. Jeder Puls erzeugt ein endliches Signal, das stark oszilliert, wenn der Spin um das angelegte Magnetfeld präzediert. Aufgrund der Wechselwirkung mit den ungeordneten Kernspins ebbt das Signal schnell ab (oberes Feld). Nach langen Impulsserien sind die Kernspins „trainiert“ und es kommt zu einem kohärenten Wiederstarken des Signals. Bild: Philipp Schering, TU Dortmund.

 

Ein gängiger experimenteller Ansatz ist die Verwendung von Laserpulsen, um Quantenpunkte so zu „trainieren“, dass sich ihre Spins synchron verhalten. „Meine Kollegen senden Pulse an das System, die den Spin eines Quantenpunkts ausrichten“, so Uhrig. „Tun sie dies über einen längeren Zeitraum, erhalten sie vor dem nächsten Impuls eine gewisse Reaktion. Man sieht also eine gewisse Polarisation, dann ebbt sie ab. Aber wenn man das eine lange Zeit macht, gibt es schon ein Signal, bevor der nächste Impuls kommt. Das zeigt, dass das System erfolgreich trainiert wurde.“

In Experimenten schießen die Forscher alle paar Nanosekunden einen Laserpuls, und das „Training“ der Punkte kann Sekunden oder auch Minuten dauern. Das bedeutet, dass eine realistische Simulation einen extrem weiten Bereich von Zeitskalen abdecken muss. Die Durchführung der notwendigen Berechnungen in einer angemessenen Zeit wäre ohne große Supercomputer nicht möglich.

Vorsprung durch Iteration

Uhrig und seine Mitarbeiter nutzen HPC in erster Linie, um Daten aus Experimenten quantitativ zu erfassen. Mit diesem Ansatz kann das Team nicht nur effizient überprüfen, wie gut ein bestimmtes Quantensystem trainiert wurde, sondern auch Vorhersagen mit dem von ihnen entwickelten physikalischen Modell treffen. Wenn das Team das Modell richtig entworfen hat, sollten dessen neue Phänomene auch im Experiment gefunden werden.

„Dieses Hin und Her ist ein allgemeines Merkmal in der Dynamik zwischen Theorie und Experiment“, so Uhrig. „Wenn die Theorie versucht, dem Experiment nahezukommen, müssen viele Parameter berücksichtigt werden, also muss man viel numerische Arbeit leisten, und da kommt HPC ins Spiel.“

Mit diesem inkrementellen Vorgehensmodell entdeckte das Team Strategien zur Verstärkung der Signale in den Daten, die anzeigen, wie Elektronenspins auf Laserpulse reagieren. Letztendlich könnte dieses Wissen es den Forschern erleichtern, das Verhalten auf der Quantenskala vorherzusagen und sich darauf zu verlassen, wenn sie Aufgaben in Quantencomputern und anderer fortschrittlicher Elektronik ausführen.

Das Team konnte letztes Jahr am HLRS während der Abnahmephase des neuen Hawk-Supercomputers auf eine große Anzahl von Rechenkerne zugreifen, um größere Berechnungen durchzuführen. „Kurzfristig wurden uns kurze Warteschlangen für große Kernzahlen angeboten, und dadurch konnten wir ganz klar viel schneller forschen“, so Uhrig. Nachdem das Team nun seinen Code auf dem Hawk weiter optimieren konnte, sind die Forscher zuversichtlich, dass sie mit zukünftigen Zuweisungen auch komplexere Berechnungen für größere Systeme übernehmen können.

Eric Gedenk