Maha Badri und Alaa Bejaoui wurden beide in Tunesien geboren, doch das ist nicht das einzige, was sie gemeinsam haben. Als junge Ingenieur:innen, die im Jahr 2023 ihr Masterstudium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart abgeschlossen haben, teilen sie die Leidenschaft für Mathematik, künstliche Intelligenz (KI), paralleles Programmieren und Höchstleistungsrechnen. Schon während ihres Bachelorstudiums stiegen Badri und Bejaoui in das umfassende Schulungsprogramm für Höchstleistungsrechnen (high-performance computing, HPC) am Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) ein. Mit viel Begeisterung lernten sie, HPC-Systeme zu programmieren. Während ihres Masterstudiums absolvierten sie als erste Teilnehmende die Supercomputing-Akademie des HLRS mit dem Zertifikat „HPC-Expert:in“.
29. Feb 2024
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Schon zu Beginn ihres Studiums erkannten die Ingenieur:innen die Bedeutung des parallelen Programmierens, erhielten die notwendige Ausbildung jedoch nicht in ihren Standardkursen. „Als wir 2013 angefangen haben zu studieren, haben wir sofort gemerkt, dass bei Ingenieuren nicht viel Wert auf Programmieren gelegt wird“, erinnert sich Bejaoui. „Wir haben dann beschlossen, alle möglichen Workshops hier am HLRS zu machen.“ Zunächst belegten sie Kurse aus dem HPC-Ausbildungsprogramm des HLRS. Nach einem Aufenthalt in Kanada, wo sie an der Polytechnique Montréal künstliche Intelligenz studierten, kehrten sie im Jahr 2020 nach Stuttgart zurück und entdeckten die neu gegründete Supercomputing-Akademie des HLRS. Diese Einrichtung bot ihnen die Möglichkeit tiefer in die Thematik einzutauchen. Badri: „Wir hatten schon Vorwissen, aber wir wollten es noch erweitern und vertiefen.“
Während die HPC-Kurse, an denen sie zuvor am HLRS teilgenommen hatten, drei bis fünf Tage dauerten, erstrecken sich die Kurse der Supercomputing-Akademie in der Regel auf etwa sechs Wochen in einem Blended-Learning-Format. Dadurch können Teilnehmende parallel zu ihren anderen beruflichen Verpflichtungen von zuhause aus lernen. Grundsätzlich ist es möglich, einzelne Kurse zu belegen. Jedoch bietet die Supercomputing-Akademie für Teilnehmende, die an einer umfassenden Ausbildung interessiert sind, die Zertifizierung zum „HPC-Experten“ an. Der Inhalt des Programms ist modular aufgebaut, sodass Teilnehmende aus einem Angebot an Kursen wählen können, um ihren individuellen Bedürfnissen und Interessen nachzugehen. Badri und Bejaoui entschieden sich für eine Zertifizierung in der Kategorie „HPC Developer“. Dabei erwarben sie Kenntnisse über MPI, Open MP, Kommunikation und Rechenleistung auf Knotenebene. Aufgrund ihres Interesses an künstlicher Intelligenz belegten sie auch Kurse in Datenmanagement und Datenanalyse. „Wir hatten immer die Promotion im Blick“, erklärte Badri. „Die Idee, die Supercomputing-Akademie-Zertifizierung anzustreben, war, dass wir uns bestens darauf vorbereiten wollten. Die Prüfungen waren uns auch sehr wichtig. Wenn man an einem Kurs ohne Prüfung teilnimmt, ist das nicht das Gleiche, wie wenn man teilnimmt, um eine Prüfung zu bestehen. Man vertieft sich mehr darin und lernt intensiver.“ Da Badri und Bejaoui während der COVID-19-Pandemie in der Supercomputing-Akademie aktiv waren, hatten sie leider nicht mehr die persönlichen Kontakte zu Dozent:innen und Studierenden, die sie bei früheren Präsenzkursen am HLRS genossen. Nichtsdestotrotz war das Konzept der Supercomputing-Akademie eine ideale Möglichkeit für sie, ihre HPC-Fähigkeiten weiterzuentwickeln und gleichzeitig ihr Studium abzuschließen. Badri sagt: „Ich konnte mich nachmittags auf meine Masterarbeit konzentrieren. Abends habe ich die Videos der Supercomputing-Akademie angeschaut. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das hätte funktionieren sollen, wenn alles vor Ort stattgefunden hätte.“
Nach Abschluss des Schulungsprogramms der Supercomputing-Akademie sind sich Badri und Bejaoui darüber im Klaren, dass die Erfahrung viele Vorteile mit sich gebracht hat. „Erst seit der Supercomputing-Akademie haben wir ein tiefgreifendes Verständnis der Hardware. Jetzt können wir bewusster programmieren“, so Badri. In der Praxis nutzten sie ihre neuen Kenntnisse, um MPI in der Python-Programmierung anzuwenden. Dadurch ließ sich ein Programm parallelisieren, das Simulation und Reinforcement Learning miteinander kombiniert. Bei Vorstellungsgesprächen spürten sie auch, dass die von der Supercomputing-Akademie angebotene Zertifizierung sie zu attraktiveren Bewerber:innen machte. Badri erinnert sich: „Bei den Bewerbungsgesprächen, die ich hatte, war das immer ein Punkt, von dem potenzielle Arbeitsgeber sehr beeindruckt waren. Sie haben stets nach dem Zertifikat gefragt und an welchem Kurs ich für eine Woche teilgenommen habe. Als ich genauer davon erzählt habe, waren sie beeindruckt davon, wie umfangreich das Programm war.“ Aufgrund der Erfahrungen, die sie während ihres Studiums, bei der Stellensuche und bei ihrer Arbeit in einem Start-up gesammelt haben, spüren Badri und Bejaoui, dass die Nachfrage nach Ausbildungsangeboten wie der Supercomputing-Akademie wächst. „Bei Forschungsgruppen, die sich schon mit Simulationen beschäftigen — wie in Luft- und Raumfahrt, zum Beispiel — ist HPC bereits seit Langem bekannt, weil Simulationen ohne HPC-Kenntnisse nicht machbar sind. Ich glaube, KI führt dazu, dass auch weitere Arbeitsgruppen diesen Bedarf an HPC-Wissen haben“, erklärt Badri. Bajaoui stimmt dem zu und ist der Meinung, dass die Ausbildung, die sie erhalten haben, sie gut vorbereitet hat. „Das HLRS und die Supercomputing-Akademie sind gute Partner, mit denen sich diese Kompetenzen erwerben lassen“, sagt er. Die beiden freuen sich auf den Beginn ihrer Promotion, die sie auf spannende Wege führen wird. Badri geht demnächst an das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, wo sie mithilfe von künstlicher Intelligenz Vegetationsmodelle entwickeln wird, die die Wechselwirkungen zwischen dem Pflanzenreich und der Atmosphäre berücksichtigen. Bejaoui hat sich eine Doktorandenstelle an der Charité in Berlin gesichert, wo er gemeinsam mit Mediziner:innen Methoden entwickeln wird, die künstliche Intelligenz für die Interpretation von CT-Scans nutzen. Die Ergebnisse könnten zu einer besseren Patientenversorgung führen. Beide gehen davon aus, dass sie das erworbene HPC-Know-how in ihren jeweiligen Projekten weiterhin benötigen werden. Längerfristig hoffen Badri und Bejaoui auch ihr Wissen in ihr Heimatland Tunesien zurücktragen zu können. „Wir haben bei uns sehr gute Wissenschaftler, sehr kluge Köpfe [...] in der Mathematik und der Physik und jetzt kommen auch noch Informatik und HPC dazu. Ich habe das Gefühl, dass wir jetzt eine geschlossene Kette haben, von der mathematischen Modellierung bis hin zur Implementierung und zur optimalen Implementierung auf Hardware“, sagt Bejaoui. „Wir wollen Brücken zwischen Deutschland und Tunesien bauen […] und auch Deutschland kann davon profitieren.“
Das HLRS entwickelt sein Schulungskonzept weiter, um den Kursteilnehmer:innen eine Auswahl an Möglichkeiten zu bieten, die ihren beruflichen Interessen und Bedürfnissen am besten gerecht werden. Laut Lorenzo Zanon, Leiter der HLRS-Abteilung Training and Scalable Algorithms, plant das Zentrum, erfolgreiche Elemente der Supercomputing-Academie und seiner HPC-Kompaktkurse zu kombinieren: „So könnte es beispielsweise möglich sein, am Ende der Kompaktkurse Prüfungen abzulegen, die auf die HPC-Experten-Zertifizierung der Supercomputing-Akademie angerechnet werden. Umgekehrt könnten sich HPC-Nutzer:innen auch für Blended-Learning-Kurse in der Supercomputing-Academie anmelden, ohne eine Abschlussprüfung ablegen zu müssen.“ Auf diese Weise will das HLRS ein flexibles Schulungsprogramm anbieten, das so zugänglich wie möglich ist. Weitere Neuigkeiten zu diesem Konzept sollen im Jahr 2024 angekündigt werden.
Erfahren Sie mehr über das Schulungsprogramm des HLRS unter www.hlrs.de/training. Weitere Informationen über die Supercomputing-Akademie finden Sie unter www.supercomputing-akademie.de.
Ein Gespräch mit Maha Badri und Alaa Bejaoui können Sie sich in einem Podcast der SICOS-BW anhören.
—Christopher Williams (Interview: Andreas Wierse)