Das Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart (HLRS) verfügt über einen der leistungsstärksten Supercomputer Europas. Darum wird hier jeden Tag simuliert, wie zum Beispiel eine Karossiere geformt sein muss, um möglichst viel Energie einzusparen. Doch auch, wenn jeder Einzelne im Alltag indirekt von Simulationen profitiert, stehen das wissenschaftliche oder wirtschaftliche Interesse meist im Vordergrund. Hinzu kommt, dass dieses Wissen in der Regel einer Expertengruppe vorbehalten ist.
18. Apr 2018
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Gesellschaftspolitischer Beirat
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Das kann zu einem eingeschränkten Blickwinkel führen: „Der Mehrwert von Computersimulationen ist unbestritten. Darum dürfen sie kein Privileg des Elfenbeinturms sein“, lautet auch die Meinung von Prof. Michael Resch, Direktor des HLRS. Aus diesem Grund hat er gemeinsam mit Dr. Andreas Kaminski, Leiter der Abteilung für Philosophie der Computersimulation am HLRS, den Gesellschaftspolitischen Beirat (GPB) einberufen, der seine Arbeit am 9. April startet. Reschs Vision für den GPB lautet: „Wir wollen uns gemeinsam dafür einsetzen, dass in Zukunft mehr gesellschaftliche Gruppen von dem Einsatz von Simulationen profitieren.“
Mitglieder des Gesellschaftpolitischen Beirats beim ersten Zusammenschluss (l-r): Marc Hassenzahl, Rüdiger Flöge, Sandra Youssef, Andreas Kaminski (HLRS), Ortwin Renn, Eva-Maria Gillich, Georg Vrachliotis, Claus-Peter Hutter, Bastian Koller (HLRS), Ludger Fittkau, Harald Mieg. Nicht anwesend: Renate Hess, Waltraud Kannen, Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Andreas Müller. Für weitere Informationen bitte hier anklicken.
Die Beiratsmitglieder kommen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (z.B. Pflege, Architektur, Bildung Journalismus) und sichern so die erforderliche Vielfalt gesellschaftlich relevanter Themen. Dabei erkennen viele Mitglieder des GPB in Simulationen das Potenzial, komplexe Zusammenhänge verständlich zu gestalten: „Simulation kann Entscheidungsträgern und betroffenen Menschen komplexe gesellschaftliche Phänomene zugänglicher machen“, so Beiratsvorsitzender Prof. Ortwin Renn, Wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam. Er gibt zu bedenken: „Vor dem Hintergrund dieses Fortschritts muss aber sichergestellt sein, dass ethische Werte nicht verletzt und gesellschaftliche Präferenzen ausreichend berücksichtigt werden.“
Das Treffen wurde mit einer Präsentation von Forschungsprojekten eingeläutet, die derzeit am HLRS stattfinden und von direkter gesellschaftlicher Relevanz sind. Dies führte zu einer Diskussion unter den Beiratsteilnehmern darüber, wie Simulation genutzt werden könnte, um den Fortschritt in ihren Fachgebieten zu unterstützen. Im Fokus der Diskussion standen Themen wie Stadtentwicklung und die Entstehung von sozialer Ungleichheit und Populismus. Doch auch Fragen zur Methodik von Simulationen kamen auf: kann simuliert werden, wie Facebook ohne Filteralgorithmus aussehen würde? Könnten Simulationen zeigen, wie wir in erwünschte Wirklichkeiten leben würden?
Diese thematischen und methodischen Ideen werden nun strukturiert, vereint und verfeinert. Unter der Voraussetzung, dass ein geeignetes Finanzierungsprogramm zur Verfügung steht, wird ein Pilot für ein mögliches Forschungsprojekt entwickelt. "Wir haben mehr Input bekommen als wir erhofft hatten", sagt Kaminski. "Daher wird das nächste Treffen wahrscheinlich Ende dieses Jahres stattfinden, um weiter an dem Pilotprojekt zu arbeiten."
Gemeinsam mit dem Beirat wird sich das Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart auf die Entdeckung neuer Gebiete begeben, in denen Computersimulation einen Beitrag leisten kann. Damit werden die Anstrengungen des HLRS, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, mit Impulsen von außen erweitert. Bisher setzt sich zum Beispiel bereits eine Nachhaltigkeitsgruppe am HLRS mit Fragen des Energieverbrauchs von Höchstleistungsrechnern auseinander und auch Jugendliche sind im Schulprojekt „Simulierte Welten“ gefordert, im Rahmen eines einjährigen Stipendiums etwa Verkehrsdaten zu simulieren und so ihre digitalen Kompetenzen auszubauen.
— Lena Bühler