Im April 2019 zeigte ein internationales Forscherteam das erste Bild eines Schwarzen Lochs. Dieser Meilenstein – Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit Hunderter Wissenschaftler im Rahmen des Event Horizon Telescope (EHT) Consortium – war für viele die Nachricht des Jahres.
Zu den Mitverfassern der ersten Ergebnisse gehörte Prof. Dr. Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt. Mithilfe von Höchstleistungsrechnern am HLRS und am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) erstellte sein Team ein Modell zur Beschreibung des Plasmas um das Schwarze Loch in der Mitte der Galaxie Messier 87 (M87). Die Forscher entwickelten eine Datenbank mit synthetischen Bildern eines Schwarzen Lochs unter verschiedenen Bedingungen, die mit experimentellen Beobachtungen verglichen wurden, um ihre Genauigkeit zu testen.
07. Jun 2019
Anwender-Forschung
Astronomie & Astrophysik
Simulation
Alle Nachrichten
Da Schwarze Löcher kein Licht reflektieren und M87 fast 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist, ist eine direkte Beobachtung ausgeschlossen. Stattdessen kombinierten die Forscher des EHT-Konsortiums Beobachtungsdaten von Radioteleskopen mit HPC-Simulationen von Phänomenen im Umfeld des Schwarze Lochs M87, etwa die Eigenschaften von Plasma, um Bilder von physikalischen Phänomenen zu erstellen, die anders nicht zu erkennen sind.
Die Integration dieser Radioastronomiedaten war eine Riesenaufgabe. Da M87 so weit entfernt, das Schwarze Loch so groß und die Fluid- und Teilchendynamik, die sich aus seinem Gravitationsfeld ergibt, so komplex ist, war HPC nötig, um die Rohdaten in etwas umzuwandeln, das die Forscher – und damit die Welt – besser verstehen konnten.
Rezzollas Team möchte zum Beispiel verstehen, wie sich die Gesetze der Schwerkraft in der Nähe der extrem starken Anziehungskraft um ein Schwarzes Loch verändern. Diese Kräfte sind stark genug, um den Austritt von Licht zu verhindern, können aber auch das Verhalten von astrophysikalischen Plasmen oder anderen Stoffen beeinträchtigen, wenn sie sich dem Zentrum nähern. Das Team entwickelte drei eigene Computercodes, mit denen es nachstellen kann, wie Stoffe um ein Schwarzes Loch kreisen, während sie nach innen gezogen werden.
Das Team wusste, dass es Bilder neu erstellen musste anhand von Untersuchungen dazu, wie sich Licht und Plasma krümmen, wenn sie sich dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs nähern, also der Schwelle, an der die Anziehungskraft so stark ist, dass ihr nichts mehr entkommen kann. Dieses Phänomen erzeugt einen „Schatten“, der die Umgebung einhüllt.
Der Schatten Schwarzer Löcher erschwert es Forschern, ein herkömmliches Bild zu machen, aber er hilft auch, deren starken Einfluss auf ihre Umgebung aufzudecken, und mehr über die Eigenschaften dieses Phänomens zu erfahren.
„Das Plasma um ein Schwarzes Loch mit einem Modell darzustellen, ist ein hochgradig nichtlineares Problem, das eine Reihe von Instabilitäten und turbulenten Strömungen umfasst“, sagt Rezzolla. „Solche Phänomene sind schon unter normalen Umständen schwer zu modellieren, und diese Bedingungen werden um ein Schwarzes Loch noch verstärkt. Im Wesentlichen untersucht man Bewegungen, die sich fast mit Lichtgeschwindigkeit in einer Umgebung abspielen, die durch extreme Anziehungskraft verzerrt wird.“
Mithilfe der Supercomputer Hazel-Hen am HLRS und SuperMUC am LRZ sowie des hauseigenen Clusters an der Goethe-Universität Frankfurt konnte Rezzollas Team die Plasmadynamik um das Zentrum von M87 modellieren. Etwa die Hälfte der vom EHT eingesetzten Simulationen wurde von den Frankfurter Forschern mit HPC-Computern berechnet.
Die Forscher nutzten HPC auch zur Durchführung magnetohydrodynamischer Simulationen (MHD), die elektromagnetische Eigenschaften von Stoffen wie Plasma genau modellieren können, um eine große synthetische Bilddatenbank von Schwarzen Löchern auf Grundlage von Simulationen zu erstellen. Die 60.000 Bilder in der Datenbank zeigen, wie ein Schwarzes Loch unter verschiedensten Bedingungen aussehen würde. Durch einen Vergleich mit den relativ wenigen verfügbaren Beobachtungsbildern können Forscher einzigartige Eigenschaften von M87 von allgemeinen Phänomenen Schwarzer Löcher unterscheiden.
Zu diesem Zweck entwickelte das Team GENA, einen Code, der auf einem genetischen Algorithmus (inspiriert von evolutionären Prozessen) basiert, der beim Vergleich der synthetischen Bilder mit Beobachtungen Gemeinsamkeiten zwischen beiden feststellt und diese zu einer neuen „Generation“ weiterentwickelt, die nur die besten „Gene“ enthält. Die Forscher wiederholen diesen Prozess über mehrere Generationen, bis sie die beste Übereinstimmung finden, und isolieren die synthetischen Bilder, die den Beobachtungen am ehesten entsprechen. „Das ist so, als würde man mit einem verschwommenen Foto in ein volles Stadion gehen und nach einer bestimmten Person darauf suchen“, so Rezzolla. „Wir verbessern unsere Plasmamodellierung und lernen aber auch, besser zwischen stabilen und schwankenden Merkmalen in diesen Bildern zu unterscheiden.“
Seinen wichtigen Beitrag zum EHT-Projekt führt das Team teilweise auch auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit HLRS- und LRZ-Mitarbeitern zurück. „Solch ein Mitarbeiter-Support ist ein echter Mehrwert für HPC-Zentren“, findet Rezzolla.
Für die Zukunft freut sich das Team auf den Einsatz modernster Supercomputer, um Bilder anderer Schwarzer Löcher, zum Beispiel des Zentrums unserer Milchstraße, besser aufzunehmen und zu verstehen. Die Herausforderung ergibt sich hier aus der Nähe und der Geschwindigkeit, mit der sich galaktische Phänomene verändern.
„Mit Blick auf unser galaktisches Zentrum gibt es ein weiteres Problem: Die Zeitspanne, in der sich das Bild verändert, ist kürzer als die, in der wir die Daten aufzeichnen können“, sagt Rezzolla. „Das ist so, als würde man versuchen, ein Bild von etwas zu machen, das sich sehr schnell hin- und herbewegt. Diese neue Herausforderung wird all unser Fachwissen in Physik und Technik erfordern.“
-Eric Gedenk
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf der Website des Gauss Centre for Supercomputing.