Obwohl das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) den überwiegenden Teil seiner Rechenressourcen großen akademischen Forschungsprojekten widmet, bilden auch die Kunden aus der Industrie ein bedeutendes Nutzersegment. Das HLRS ist durch die Zusammenarbeit mit privaten Technologieunternehmen aus vielen Bereichen ein Partner für industrielle Forschung und Entwicklung, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Baden-Württemberg.
17. Jan 2018
HPC in der Industrie
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Unbestritten ist: High-Performance-Computing (HPC) bietet echte Chancen, Unternehmen auf dem globalen Markt effizienter und wettbewerbsfähiger zu machen. Es zeigt sich jedoch auch, dass HPC-Anwender aus der Industrie, selbst wenn sie verglichen mit wissenschaftlichen Großprojekten eher bescheidene Computerressourcen verwenden, mit anderen Herausforderungen konfrontiert sind als ihre Kollegen in der akademischen Welt. Der erste Industrial HPC User Roundtable, der am 8. Dezember 2017 im HLRS stattfand, sollte herausfinden, worin genau diese besonderen Herausforderungen bestehen und wie HPC-Zentren wie HLRS den Unternehmen dabei helfen können, diese zu überwinden.
Die eintägige Veranstaltung brachte mehr als 30 HPC-Anwender aus Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen zusammen, um aktuelle Herausforderungen zu diskutieren. Organisiert von SICOS-BW, einer unabhängigen, am HLRS ansässigen Organisation, die KMU den Zugang zu HPC-Ressourcen erleichtert, belegten Vorträge und die offene Diskussion, dass sich die HPC-Branche nicht in allen Bereichen so entwickelt, wie industrielle Anwender es sich wünschen würden.
Während der Veranstaltung gaben fünf Referenten, alle erfahrene industrielle HPC-Anwender, Einblicke in den Einsatz von HPC in der Industrie. HLRS-Experten präsentierten, wie das Rechenzentrum die Industrie bei der Nutzung seiner HPC-Systeme unterstützt und boten einen Ausblick auf neue Technologien im Supercomputing.
Ein Anliegen der Teilnehmer war, auf eine drohende "McDonaldisierung" des Supercomputing hinzuweisen, ausgelöst durch Konsolidierungs- und Profitabilitätsziele unter den HPC-Systemherstellern. Die zunehmende Standardisierung von Architekturen und Lösungen führt zu Befürchtungen einiger Ingenieure in der Industrie, dass sie die Flexibilität und die kundenspezifischen Lösungen verlieren könnten, die sie eigentlich benötigen.
Ein Bereich, der in diese Richtung gehen könnte, ist das Cloud-Supercomputing, derzeit ein attraktives Modell für kleine Unternehmen, die die Kosten für den Aufbau einer eigenen HPC-Infrastruktur und Datenspeicherfähigkeiten scheuen. Indes, wenn Cloud-Anbieter jedoch nur bestimmte Softwarepakete unterstützen oder es Benutzern nicht leicht machen, Daten zwischen verschiedenen Plattformen zu übertragen, ist der Nutzen ihres Angebots beschränkt.
Ein weiteres häufig genanntes Problem war der Zustand kommerzieller Softwarepakete zur Simulation und Modellierung komplexer Systeme. Viele der für die Industrie unentbehrlichen Codes wurden für Single-Core-Maschinen geschrieben und skalieren nicht so einfach für eine effiziente Nutzung in parallelen Computerumgebungen. Dies bringt Softwareinnutzer in Unternehmen häufig in die unangenehme Situation, dass sie Softwareentwickler werden müssen, um den Code für die Verwendung auf HPC-Systemen neu zu programmieren.
Mehrere Teilnehmer wiesen auch darauf hin, dass viele gängige Lizenzmodelle von Softwareherstellern für kleinere Unternehmen oft unerschwinglich teuer sind.
Angesichts der komplizierten, zeitraubenden Prozesse, die Unternehmen benötigen, um Produkte auf den Markt zu bringen, ist es wichtig, die Workflows zu optimieren, in die Simulationen eingebettet sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Unternehmen kein eigenes HPC-System oder HPC-Know-how besitzen. Die Teilnehmer des Workshops deuteten an, dass es für externe Anbieter von Computerressourcen von entscheidender Bedeutung ist, dass die Anbieter den Datentransfer effizient gestalten, eine zuverlässige Datensicherheit gewährleisten und sensibel auf Fragen der Dateneigentümerschaft und -haftung reagieren.
Mehrere Teilnehmer wiesen auf das Problem der Alterung von Fachwissen hin: selbst wenn Ingenieure eine Informatikausbildung an einer Universität erhalten, ist eine schnelle Veralterung nicht zu verhindern, weil sich die Informationstechnologie weiter entwickelt. Dies bedeutet, in der Industrie besteht ein großer und wachsender Bedarf an Weiterbildung, der es industriellen HPC-Anwendern ermöglicht, ihre Fähigkeiten im Umgang mit den neuesten Technologien zu aktualisieren.
Markus Klietmann von SICOS-BW beschrieb Pläne des HLRS, das eigene Weiterbildungsangebot auf die spezifischen Bedürfnisse industrieller Nutzer auszuweiten. Mit einem Blended-Learning-Ansatz, der klassische Vermittlungsformate mit Online-Komponenten kombiniert, zielt das neue Programm darauf ab, den HPC-Anwendern in der Industrie das erforderliche Know-how so zur Verfügung zu stellen, wie es für sie praktikabel ist. Die vom Europäischen Sozialfonds und dem baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur finanzierte Initiative ist noch in Entwicklung und hebt auf ein abgerundetes Programmangebot ab, das sich nicht nur auf Themen wie Parallelprogrammierung, Leistungsoptimierung und Visualisierung konzentriert, sondern auch auf andere wichtige Inhalte, die für industrielle Nutzer von Bedeutung sind.
In diesem Zusammenhang war der erste Industrial HPC User Roundtable Teil einer laufenden Informationskampagne des HLRS, mit dem Ziel, von derzeitigen und potenziellen Nutzern zu lernen und eigene Angebote auf deren Bedürfnisse auszurichten. Der Dialog wird fortgesetzt, denn die Teilnehmer bekundeten ihr Interesse, themenspezifische Arbeitsgruppen zu bilden und auch an dem nächsten jährlichen Industrial HPC User Roundtable teilzunehmen, der am HLRS am 11. Dezember 2018 stattfinden wird.
—Christopher Williams (Übersetzung: Markus Klietmann)