Neue Wege zur Energiespeicherung in Wasserstoff

Picture of iridium rich surface
Bild: Travis Jones

Mithilfe von HPC suchen Wissenschaftler:innen bessere Materialien und Methoden für die Wasserelektrolyse, einen vielversprechenden Ansatz zur Entwicklung von Technologien für erneuerbare Energie.

Technologische Fortschritte führen die Menschheit näher an eine Welt heran, in der erneuerbare Energie sauber und sicher erzeugt wird. Dennoch stehen wir weiterhin vor einer großen Herausforderung: Der Mensch hat keinen Einfluss darauf, wann der Wind weht oder die Sonne scheint. Um die Nutzung erneuerbarer Energien auf globaler Ebene zu ermöglichen, sind Methoden zur effizienteren Speicherung der in Hochphasen erzeugten Energie notwendig, damit die Energieproduktion mit der Nachfrage kontinuierlich Schritt halten kann.

Unter den vielversprechenden Kandidaten für die Speicherung überschüssiger Energie ist Wasserstoff einer der beliebtesten. Mithilfe der sogenannten Wasserelektrolyse erzeugen Wissenschaftler:innen chemische Reaktionen, um die Wassermoleküle in ihre Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Die dabei entstehenden Wasserstoffmoleküle können dann in Speicherbehälter verdichtet werden, wo sie sich als Ersatz für umweltschädliche Energiequellen einsetzen lassen.

Die Wissenschaft hat zwar einige Fortschritte hinsichtlich der Elektrolyse in der industriellen Anwendung erzielt, aber eine Hürde besteht weiterhin: Derzeit ist Iridium der einzige Katalysator, der nachweislich sowohl aktiv als auch stabil genug ist, um die Oxidation von Wasser zu ermöglichen. Leider sind die natürlichen Iridiumvorkommen auf der Erdoberfläche gering. Aus diesem Grund müssen Forschende entweder nach einem völlig neuen Material suchen oder Metalllegierungen entwickeln – Mischungen aus zwei oder mehr Metallen, die bestimmte Eigenschaften der einzelnen Materialien beibehalten – um die Wasserelektrolyse zu verbessern.

Wissenschaftler:innen des Fritz-Haber-Instituts in Berlin haben den Hawk-Supercomputer des HLRS genutzt, um die komplexen chemischen Reaktionen, die während der Elektrolyse ablaufen, auf molekularer Ebene zu modellieren. Das Team hofft, ein besseres Verständnis der Besonderheiten von Iridium zu erhalten, um eine effiziente Methode zur Nutzung von Wasserstoff als Energiespeicher im globalen Maßstab zu entwickeln.

Die Fest-Flüssig-Grenzfläche an der iridiumreichen Oberfläche eines Ir-Nb-Mischoxidkatalysators zur Wasseroxidation. Die Iridiumatome sind blau, die Niobatome grün, der Sauerstoff rot und der Wasserstoff weiß dargestellt. Bild: Travis Jones.

 

Finanziert wurde Hawk vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) sowie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), vermittelt durch das Gauss Centre for Supercomputing (GCS). Hawk ist Teil der nationalen Supercomputing-Infrastruktur des GCS.

„Es ist die entscheidende Frage, warum Iridium so besonders ist", sagt Dr. Travis Jones, Wissenschaftler am Fritz-Haber-Institut und Mitwirkender an dem Projekt. „Viele Theorien drehen sich um die Idee, dass die Absorptionsenergie der verschiedenen Zwischenprodukte in der Reaktion ideal abgestimmt ist. Allerdings fehlt ein tieferes Verständnis dafür. Wir können nicht einfach auf das Periodensystem der Elemente schauen und sagen, dass Iridium für die Elektrolyse geeignet ist, weil es eine bestimmte Anzahl von Elektronen hat. Wir würden gerne wissen, warum Iridium in diesem Zusammenhang so gut passend ist.“

Betrachtung genauer Wechselwirkungen durch zwei verschiedene Linsen

Um einen grundlegenden Einblick in das Verhalten von Molekülen bei der Elektrolyse zu erhalten, müssen Wissenschaftler:innen diese chemischen Reaktionen auf atomarer Ebene beobachten, indem sie die Bewegungen der Elektronen einzelner Atome aufzeichnen und gleichzeitig mehrere hundert Atome bei ihren Wechselwirkungen miteinander beobachten. Außerdem möchten sie diese Phänomene unter verschiedenen Bedingungen untersuchen, was experimentell unmöglich wäre, aber mit Hilfe von Computermodellen praktikabel ist. Hierfür stellen Computerwissenschaftler:innen diese Modelle den Experimentatoren zur Verfügung und liefern so weitere Erkenntnisse für Experimente mit der Spektroskopie.

Dies ist jedoch nur der erste Punkt, an dem HPC eine wichtige Rolle spielt. „Die Simulation der Elektronen durch Lösen der Schrödingergleichung ist der erste Schritt. Hier raten wir im Grunde, was sich in unserem System befindet, indem wir die atomare Struktur der Katalysatoren während der Experimente aufdecken", so Jones. „Die Experimente können uns jedoch nicht zeigen, wie der Reaktionsmechanismus auf atomarer Ebene funktioniert – Simulationen schon."

Die erste Phase der Modellierung und experimentellen Arbeit ermöglicht es den Wissenschaftler:innen, auf atomarer Ebene Details der Wasseratome auf der Oberfläche des Katalysators zu erhalten. Sobald sich die Forschenden sicher sind, dass sie ein genaues Bild haben, beginnen sie mit der zweiten Phase, in der sie leichte Änderungen an den Eingaben vornehmen und modellieren können, wie die Reaktion unter verschiedenen Bedingungen abläuft. Mit diesem Schnellverfahren können sie beobachten, wie sich die Reaktion unter anderem durch kleine Spannungsänderungen oder Variationen in der Zusammensetzung der als Katalysator verwendeten Metalllegierungen verändert.

Durch die Forschungsarbeit identifizierte das Team eine bestimmte Legierung, Iridiumoxid gemischt mit Niob (Ir60Nb40Ox), die sich fast so stabil wie reines Iridium verhält, aber 40 Prozent weniger des Edelmetalls benötigt. Obwohl die Identifizierung von anderen Materialien, die sich als Elektrokatalysator eignen könnten, weitere Forschung voraussetzt, ist das Team zuversichtlich, dass die Kombination aus spektroskopischen Experimenten und groß angelegten Simulationen die Forschung vorantreiben wird.

Die Supercomputer von heute für das neu konzipierte Energienetz von morgen

In einer großen, internationalen Kollaboration wurde der von Jones und seinen Kolleg:innen verwendete Code kürzlich so modifiziert, dass er auf hybriden Supercomputer-Architekturen ausgeführt werden kann, d. h. auf Rechnern, die zusätzlich zu herkömmlichen CPUs auch Grafikprozessoren (GPUs) verwenden. Das Team begann auch mit der Skalierung seiner Anwendung. Dadurch kann die Gruppe die zunehmend leistungsfähigen Rechnerarchitekturen, wie sie vom HLRS und seinen Partnern im Gauss Centre for Supercomputing zur Verfügung stehen, voll ausnutzen.

Jones wies darauf hin, dass sich mit schnelleren und größeren Computern zwar größere molekulare Systeme oder mehr Permutationen eines bestimmten Systems untersuchen lassen, Forschende aber nach wie vor in der Anzahl der Atome, die sie bei jedem Durchlauf simulieren können, eingeschränkt sind. Systeme der nächsten Generation werden dazu beitragen, einige dieser rechnerischen Hürden zu überwinden. Gleichzeitig wird die Simulation größerer chemischen Systeme jedoch ein neues Problem mit sich bringen: die begrenzte Verfügbarkeit des Speicherplatzes in HPC-Systemen — eine zunehmend auftretende Herausforderung für Wissenschaftler:innen in vielen Forschungsbereichen. Trotz dieser technischen Herausforderungen ist das Team zuversichtlich, dass der Einsatz von HPC zur Beschleunigung von Experimenten unverzichtbar sein wird.

Auch wenn Wasserelektrolyse nicht unmittelbar die vorherrschende Methode zur Veränderung des weltweiten Energienetzes sein wird, ist Jones davon überzeugt, dass sich Wasserstoff als bahnbrechende Neuerung bei der Speicherung und Umwandlung elektrischer Energie erweisen wird. „Die elektrolytische Wasserspaltung verbindet den elektrischen mit dem chemischen Sektor. Wenn wir bis 2050 klimaneutral werden möchten, wird diese Verbindung entscheidend sein“, sagte Jones. „Wir müssen uns sowohl um die Energiespeicherung als auch um die nachhaltige chemische Produktion Gedanken machen. Grüner Wasserstoff könnte zur Lösung dieser beiden Probleme beitragen“.

-Eric Gedenk