Simulation für bessere Batterien

Bunte Visualisierung.
Visualisierung einer Simulation, die die Elektrolytfüllung von Elektrodenstrukturen im Querschnitt darstellt. Bild: Martin Lautenschläger

Zum Verständnis physikalischer Zusammenhänge von Elektrolytströmungen in Batteriezellen kommen computergestützte Methoden zum Einsatz, die ursprünglich für die Hydrologie und die Öl- und Gasförderung entwickelt wurden.

Seit der industriellen Revolution versuchen Wissenschaftler:innen und Ingenieur:innen zu verstehen, wie sich Fluide in komplexen, porösen Räumen verhalten. Beispielsweise mussten Forschende ermitteln, wie sich Flüssigkeiten unter der Erdoberfläche verhalten, um Risiken für Grundwasserverschmutzungen zu erkennen oder effizientere Verfahren zur Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu entwickeln. Diese unterirdischen Wechselwirkungen lassen sich nur schwierig direkt beobachten. Für das Verständnis dieser komplexen Umgebungen spielen Simulationen auf Höchstleistungsrechnern (HPC) eine wichtige Rolle. Mithilfe von HPC ließen sich darüber hinaus die Berechnungsmethoden im Laufe der Jahrzehnte verbessern. 

Kürzlich haben Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Ulm diese Ansätze in einem anderen Zusammenhang angewandt: Sie nutzen aus der Hydrologie bekannte Berechnungsmethoden, um besser zu verstehen, wie sich Batteriematerialien und -zellen mit einem Elektrolyt (einer Lösung mit Ionen, die eine elektrische Ladung tragen) füllen lassen. Mithilfe einer optimierten Variante dieser Methode können die Forscher die realen Bedingungen im Inneren von Batteriezellen verstehen, die herkömmlichen Herstellungsmethoden verbessern sowie neue Batteriekonzepte entwickeln.

Hierfür nutzt das DLR-Team die HPC-Ressourcen des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart (HLRS). Auf dem Supercomputer Hawk berechnen die Forscher Lattice-Boltzmann-Simulationen. Mit diesen rechenintensiven Anwendungen lassen sich die komplexen Flüssigkeits-Festkörper-Wechselwirkungen im Inneren einer Batteriezelle untersuchen.

„Batteriematerialien sind sehr porös. Ein Großteil der physikalischen Wechselwirkungen passiert an den Oberflächen der Poren an der Grenzfläche zwischen Elektrolyt und dem umgebenden Festkörper“, sagt Dr.-Ing. Martin Lautenschläger, Projektleiter und Wissenschaftler am DLR Institut für Technische Thermodynamik. „Die komplexen physikalischen Zusammenhänge, die Geometrien und die verschiedenen Skalen, die wir hier berücksichtigen müssen, erschweren die Lösungsfindung. Die Lattice-Boltzmann-Methode ist jedoch ein passender Ansatz hierfür und wir gehören zu den ersten, die diesen auf realistische Batteriematerialien anwenden.“

Elektrolytbefüllung verschiedener Elektrodenstrukturen. Das Druck-Sättigungs-Verhalten (links) wird zusammen mit Abbildungen von Querschnitten (rechts) gezeigt, in denen die Elektrode dunkelblau, das Gas blau, der Elektrolyt rot und das Bindemittel gelb dargestellt sind. Bild: Martin Lautenschläger

Mithilfe von Hawk hat das Team die traditionelle Lattice-Boltzmann-Methode angepasst und dabei die Berechnungseffizienz verbessert. Die Forscher haben die Mehrphasenströmung von Flüssigkeiten in Poren genau und effizient simuliert, was für Batterien erforderlich ist. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Advances in Water Resources veröffentlicht. Das Ziel ist es, die Methode so weiterzuentwickeln, dass sich auch komplexe chemische und elektrochemische Reaktionen im Inneren einer Batteriezelle modellieren lassen.

Selektive Vereinfachung

Bei der Simulation von Flüssigkeiten in Bewegung stehen die Forscher vor zwei großen Herausforderungen: Die erste ist der Maßstab – denn sie müssen ein Volumen simulieren, das groß genug ist, um ein reales System darzustellen. Gleichzeitig müssen mikroskopische Wechselwirkungen abgebildet werden, die das Verhalten der Flüssigkeit als Ganzes beeinflussen könnten. Die zweite Herausforderung ist die Komplexität. Bei der Simulation der Ölgewinnung oder der Befüllung einer Batterie mit Elektrolyt simulieren Forschende nicht nur eine Flüssigkeit, sondern auch die Wechselwirkung zwischen dieser Flüssigkeit und der Luft bzw. einem anderen Gas, das die Poren vor der Befüllung ausfüllt. Bei der Mehrphasensimulation müssen andere strukturell komplexe Batteriekomponenten berücksichtigt werden, die oft aus einer Kombination von Materialien bestehen.

Die Lattice-Boltzmann-Methode bietet aufgrund der physikalischen und geometrischen Gegebenheiten Vorteile gegenüber den üblichen Ansätzen der numerischen Strömungsmechanik. Sie basiert auf der sogenannten „Boltzmann-Gleichung“ und behandelt Flüssigkeiten als eine große Ansammlung von Teilchen auf einem Rechengitter, dem „Lattice“. Im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen aus der Strömungsmechanik löst die Lattice-Boltzmann-Methode numerisch einfachere Gleichungen und bietet einen rechnerisch günstigeren Ansatz für die Bewältigung dieser Herausforderungen. Um den direkten Kontakt der negativen und positiven Pole (Elektroden, jeweils Anode und Kathode) einer Batteriezelle zu verhindern, werden diese durch eine elektrisch isolierende poröse Zwischenschicht getrennt. Diese Zwischenschicht (auch Separator genannt) und andere in Batterien verwendete Materialien können allerdings winzige, nanoskalige Poren enthalten, die idealerweise mit Elektrolyten gefüllt sind und so den Ionentransport teilweise ermöglichen. Bei Lattice-Boltzmann-Simulationen muss besonders darauf geachtet werden, wie sich der Elektrolyt verhält, wenn er durch verschiedene Poren mit unterschiedlicher Form und Größe strömt.

Mikrostrukturen (von links nach rechts) einer reinen Elektrode (schwarz), einer Elektrode mit Bindemittel und einem Separator-Elektroden-Stack. Mesoskalige Poren sind weiß und Materialien mit nanoskaligen Poren sind grau dargestellt. Bild: Martin Lautenschläger

 

Das Team des DLR adaptierte einen sogenannten „Homogenisierungsansatz“ aus der konventionellen Strömungsmechanik und übertrug ihn auf die Lattice-Boltzmann-Methode für Anwendungen der Mehrphasenströmung. Die Forscher simulierten effizient und realistisch, wie sich Elektrolyte verhalten, wenn sie größere mesoskopische und winzige nanoskalige Poren durchqueren. Dabei vereinfachten sie ihre Berechnungen. Um den Rechenaufwand zu verringern, wird nur der Elektrolytfluss durch die größeren Poren vollständig gelöst und streng berechnet. Die winzigen Poren werden nicht direkt erfasst. Stattdessen werden indirekt basierend auf Beobachtungen Annahmen darüber getroffen, wie sie den Elektrolytfluss beeinflussen. Das daraus resultierende Modell berücksichtigt zwar nicht alle mikroskopischen Wechselwirkungen im kleinsten Maßstab im System, doch das Team stellt eine deutliche Übereinstimmung mit analytischen Lösungen fest. Der Vergleich mit den Ergebnissen ihrer Versuchspartner, die ebenfalls im DLR arbeiten, läuft derzeit noch.

„Wir sind auf Experimente angewiesen, um unsere Modelle zu überprüfen, da sich viele Materialeigenschaften nicht vorhersagen lassen“, so Lautenschläger. „Im Anschluss können wir ein System erstellen, das sich von Rechnern reproduzieren lässt und es anhand von Experimenten validieren. Sobald ein Modell validiert ist, können wir mithilfe von Simulationen Dinge vorhersagen, die im Experiment nicht geklärt werden können. In Experimenten lassen sich Ergebnisse messen, aber oft fehlt eine Erklärung für das Resultat; Simulationen führen zu einem besseren Verständnis. Deshalb sollten Experiment und Simulation immer Hand in Hand gehen.“

Batterien der Zukunft

Die ersten erfolgreichen Simulationen des Teams zur Elektrolytbefüllung in einer Batterie (veröffentlicht in Batteries & Supercaps) fügen sich nahtlos in das DEFACTO-Projekt ein, eine von der Europäischen Union finanzierte Initiative zur Optimierung der Materialentwicklung und der Herstellungsprozesse für Lithium-Ionen-Batteriezellen. Die Arbeit von Lautenschläger wurde auch von der Leitung des HLRS geehrt: Während des jährlichen Results and Review Workshops des HLRS gewann er einen der drei Golden Spike Awards 2022.

Nach Abschluss dieser Proof-of-Concept-Arbeiten konzentriert sich das Team nun darauf, die Komplexität ihrer Simulationen zu erhöhen. „Die Motivation geht in zwei Richtungen: Die Verbesserung gängiger Batterietechnologien durch optimierte Herstellungsprozesse und die Verbesserung der frühen Entwicklungsphasen von Batterietechnologien der nächsten Generation“, so Lautenschläger. Die Forscher prüfen nun, wie Batterien der aktuellen Generation durch realistischere Simulationen der Herstellung und der elektrochemischen Prozesse verbessert werden können. Darüber hinaus untersuchen sie vielversprechende Batterietechnologien der nächsten Generation wie Lithium-Schwefel-Batterien. Ihr Ziel ist es, das Design zu optimieren und Alterungsprozesse sowie unerwünschte Nebenreaktionen zu verhindern, um deren langfristige Leistung zu verbessern.

Unabhängig davon, ob sich das Team auf die weitere Optimierung heutiger Batterietechnologien konzentriert oder Batteriezellen der Zukunft entwirft, weiß Lautenschläger eines: „Sicher ist, dass unser Bedarf an Rechenressourcen in den nächsten Jahren noch steigen wird.“

Eric Gedenk

Zugehörige Veröffentlichung

Lautenschläger MP, Weinmiller J, Kellers B, et al. 2022. Homogenized lattice Boltzmann model for simulating multi-phase flows in heterogeneous porous media. Adv Water Resour. 170: 104320.

Hawk wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Gauss Centre for Supercomputing (GCS) gefördert.