Strömungssimulationen senken Betriebskosten in der Wasserwirtschaft

Luftaufnahme einer Wasseraufbereitungsanlage
Der Betrieb von Wasserwirtschaftsanlagen ist für viele Gemeinden der größte Kostenfaktor. Mit Hilfe von Simulationen lassen sich die Belüftung und die Durchmischung optimieren, wodurch die Energiekosten für die Bereitstellung von sauberem Wasser gesenkt werden können. Foto: Adobe Stock

Mithilfe von CFD-Simulationen auf den Supercomputern des HLRS optimiert das Dresdner Ingenieurbüro hydrograv GmbH die Effizienz von wasserwirtschaftlichen Anlagen.

Die Bereitstellung von sauberem Wasser ist für jede Gemeinde unerlässlich und benötigt große Mengen an Energie. Für viele Städte und Kommunen in Deutschland sind die Kosten für den Strom zum Betrieb der Wasserinfrastruktur sogar der größte Einzelposten für Energie in ihrem Jahreshaushalt.

Kläranlagen werden in der Regel von Bauingenieuren geplant und konstruiert. Dabei arbeiten sie eng mit Maschinenbauingenieuren zusammen, die sich um die mechanischen und prozesstechnischen Komponenten der Anlagen kümmern. Zusätzlich sind Umwelt- und Verfahrensingenieure sowie Biotechnologen beteiligt, die sich mit der biologischen Abwasserreinigung befassen. Sie sorgen für die optimale Versorgung der Mikroorganismen, die organische Stoffe im Abwasser abbauen und damit die Reinigungsleistung der Anlage sicherstellen. 

Eine höchstrelevante Disziplin, die bei solchen Projekten aber allzu oft fehlt, ist die numerische Strömungsmechanik (CFD) — die Wissenschaft der Vorhersage von Strömungen und deren Inhaltsstoffen. Nach Ansicht von Dr. Martin Armbruster, Geschäftsführer der hydrograv GmbH, ist dies eine zu oft verpasste Chance. „Mercedes-Benz oder Porsche würden sich nicht trauen, ein Automobil auf die Straße zu stellen, ohne es heftig strömungsoptimiert zu haben“, stellt er fest. „In unserer Branche ist man aber ein Exot, wenn man das Ingenieursgebilde strömungsoptimiert. Weil das selten passiert, bauen wir oft zu groß und ineffizient.“

Hydrograv wurde im Jahr 2004 als Spin-off des Karlsruher Instituts für Technologie und der Technischen Universität Dresden gegründet und ist auf CFD-Simulationen für die Wasserwirtschaft spezialisiert. Mithilfe einer speziell weiterentwickelten Open-Source-Software berät hydrograv Anlagenbetreiber dabei, Ineffizienzen zu beseitigen und die Wasserqualität zu verbessern. Gleichzeitig unterstützt das Unternehmen auch Ingenieure bei der Planung neuer Anlagen, wobei Simulationen dazu beitragen, die Effizienz bereits bei der Auslegung zu maximieren. So können mögliche Schwachstellen in Prozessen wie der mechanischen oder biologischen Reinigung frühzeitig erkannt und behoben werden – lange bevor der erste Kubikmeter Beton gegossen wird.

CFD-Simulationen von wasserwirtschaftlichen Anlagen modellieren komplexe Mehrphasenströmungen, deren Berechnung erst durch den Einsatz von Höchstleistungsrechnen (High-Performance Computing, HPC) praktikabel wird. Zwar betreibt hydrograv eigene Computerserver für kleinere Simulationsaufgaben, doch Simulationen in diesem Umfang könnten allein damit nicht bewältigt werden. Daher nutzt das Unternehmen seit 2019 die Supercomputing-Ressourcen des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart (HLRS) als integralen Bestandteil seiner Simulationspipeline.

„In Anbetracht der Menge an parallelen Simulationen, die wir jetzt durchführen, wäre unsere Arbeit ohne das HLRS als Partner nicht möglich“, sagte Dr. Armbruster. Die Partnerschaft zeigt eindrucksvoll, welche Möglichkeiten kleine Unternehmen durch die Nutzung der Rechnersysteme des HLRS erschließen können. Darüber hinaus verdeutlichen sie, wie HPC einen Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten kann.

Belüftung in Belebungsbecken effizienter gestalten

Eine zentrale Komponente einer Kläranlage ist das Belebungsbecken, in dem Mikroorganismen organische Schmutzstoffe im Abwasser abbauen. Damit diese Mikroorganismen optimal arbeiten können, ist eine gleichmäßige Versorgung mit gelöstem Sauerstoff notwendig. Dies wird in der Regel durch Gebläse und feinblasige Belüftungssysteme gewährleistet, die den Sauerstoff effizient ins Becken eintragen. Das Prinzip ähnelt der Sauerstoffanreicherung in Aquarien, jedoch in weitaus größerem Maßstab und mit speziell ausgelegten technischen Systemen zur Energieeffizienz und Prozesskontrolle.

Die Platzierung der Belüftungselemente (Belüfter) im Belebungsbecken ist von entscheidender Bedeutung für die Effizienz des Sauerstoffeintrags. „Obwohl es die kostengünstigste und wartungsärmste Lösung sein mag, die Belüfter in einem einzigen Bereich zu platzieren, ist dies aus Strömungssicht nicht optimal“, erklärt Dr. Armbruster. Eine ungünstige Platzierung der Belüfter im Becken kann dazu führen, dass Luft zu schnell an die Wasseroberfläche gelangt und in die Atmosphäre entweicht. Dadurch löst sich nicht genügend Sauerstoff im Wasser, sodass mehr Luft als nötig eingebracht werden muss. Dies führt zu einem ineffizienten Prozess und einem unnötig hohen Energieverbrauch.

Bei komplexen Mehrphasenströmungen ist die Validierung von CFD-Modellen ein essenzieller Bestandteil, um belastbare Simulationsergebnisse zu erzielen. In einem Vergleich von simulierten und gemessenen Geschwindigkeiten in einem Belebungsbecken zeigt die Abbildung eine enge Übereinstimmung. Bild: hydrograv GmbH

Mithilfe von Simulationen kann hydrograv realistisch prognostizieren, wie sich der Sauerstoff im Becken verteilt – abhängig von der Platzierung der Belüfter und den verschiedenen Betriebsszenarien. Eine praxisnahe Studie hat gezeigt, dass durch die Optimierung der Belüftung der Sauerstoffeintrag um mehr als 40 Prozent erhöht werden konnte. „Wenn man bedenkt, dass der Betrieb von Belüftern der größte Kostenfaktor in einer Kläranlage ist, die ihrerseits oft der größte städtische Energieverbraucher ist, wird deutlich, warum die Optimierung von CFD äußerst wichtig ist“, so Dr. Armbruster.

Neben der Optimierung der Belüftung kann CFD auch zur Verbesserung der Pumpenauslegung sowie zur Optimierung der Geometrie von Becken und Kanälen eingesetzt werden. Eine nicht optimierte Zirkulation kann zur Bildung von Totzonen führen, in denen das Abwasser nicht gleichmäßig verteilt wird, was eine uneinheitliche Wasseraufbereitung zur Folge hat. Zudem können ungünstige Strömungsverhältnisse Ablagerungen begünstigen, die den Durchfluss behindern und das Risiko eines Beckenumlaufs erhöhen. Infolgedessen müssen die Pumpen mit höherer Leistung arbeiten, was den Energieverbrauch und die Betriebskosten steigert. Darüber hinaus kann eine ungünstige Anströmung die Lebensdauer der Pumpen verringern, da sie zu erhöhtem Verschleiß und mechanischer Belastung führt.

Mithilfe von CFD-Simulationen kann hydrograv gezielte Vorschläge für bauliche Anpassungen erarbeiten, beispielsweise zur optimalen Platzierung von Leitwänden, um den Wasserfluss zu lenken und die Durchmischung zu verbessern. Solche Optimierungen tragen dazu bei, komplexe Reinigungsprozesse effizienter zu gestalten und den Energieverbrauch zu reduzieren.

In einem Projekt mit dem Entwässerungsbetrieb der Stadt Erlangen führte hydrograv am HLRS CFD-Simulationen durch, die die Leistung der Nachklärstufe erheblich steigerten. Der Ansatz war so erfolgreich, dass ein zuvor notwendiges Filtersystem zur Einhaltung der Abwasserablaufwerte vollständig abgeschaltet werden konnte. Durch diese Optimierung konnte der Energieverbrauch um 500.000 kWh pro Jahr gesenkt werden.

In einem weiteren Projekt unterstützte hydrograv die Stadt Hanau bei der Optimierung ihres Nachklärbeckens. Um zu vermeiden, dass die Stadt 35 Millionen Euro für den Umbau der Anlage ausgeben muss, bot hydrograv eine effiziente Lösung für die Regulierung des Zuflusses an, die nahtlos ins bestehende Becken integriert werden konnte. Mit Investitionskosten von lediglich 1,5 Millionen Euro sparte die Stadt nicht nur erhebliche finanzielle Mittel, sondern erreichte auch erstmals die anspruchsvollen Ziele zur Reduzierung der Phosphorkonzentration im Abwasser. Hydrograv GmbH wurde für ihren herausragenden Beitrag zum Umweltschutz mit dem Sächsischen Umweltpreis ausgezeichnet. 

Leistungsstarke, flexible Simulationsmöglichkeiten am HLRS

Seit seiner Gründung hat hydrograv mehr als 1.000 Simulationsprojekte für Kunden in Deutschland, Europa und weltweit erfolgreich durchgeführt. Mittlerweile übersteigt der Bedarf an Simulationen die Kapazitäten der eigenen Server bei Weitem. Ein Rechenzeitliefervertrag mit dem HLRS ist daher zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Unternehmensarbeit geworden.

Mithilfe eines Knotens auf dem Supercomputer des HLRS können die Simulationen von hydrograv oft 24 Stunden dauern – große Simulationsprojekte benötigen sogar bis zu eine Woche. Bei einigen Projekten muss das Unternehmen auch mehrere Simulationen dieser Größenordnung durchführen, um eine optimale Lösung zu finden. Mit der am HLRS installierten Software kann hydrograv von Dresden aus auf das System zugreifen und verfügt damit über ein leistungsfähiges und flexibles Instrument, das nun in seine Simulationsabläufe integriert ist.

 

Die Abbildung zeigt ein Simulationsprojekt, in dem der Sauerstoffeintrag in einem Belebungsbecken durch Strömungsoptimierung mittels CFD-Simulationen um 43 Prozent gesteigert werden konnte. Die Simulationsergebnisse wurden durch Messungen von W. Frey bestätigt. Bild: hydrograv GmbH

„Es kann vorkommen, dass wir in einem Monat drei oder vier Kunden haben, für die jeweils fünf bis zehn Simulationen durchgeführt werden müssen. Wenn wir jedoch im nächsten Monat nicht den gleichen Bedarf haben, wäre es schwierig zu entscheiden, wie viele Computer wir in unserem Serverraum aufstellen sollen“, so Dr. Armbruster. „Das ist der Vorteil, wenn man diese Simulationen am HLRS durchführt. Wir können genau die Menge an großer Rechenleistung abrufen, die wir brauchen, in dem Moment, in dem wir sie brauchen.“ 

Für hydrograv ist es von großer Bedeutung, dass ihre Software und Daten in einer sicheren Umgebung geschützt sind. „Durch das Rechnen an einem Bundeshöchstleistungsrechenzentrum können wir und unsere Kunden sicher sein, dass unser Know-how im Land bleibt“, so Dr. Armbruster.

Der Einsatz von CFD in der Wasserwirtschaft ist noch ungewöhnlich. Angesichts der Vielzahl an Anlagen in Deutschland und Europa und der Tatsache, dass die Kosten für die Simulation viel geringer sind als die Kosten für die Energieverschwendung, hofft Dr. Armbruster, dass dieser Ansatz künftig häufiger zum Einsatz kommt. Dies könnte den Gemeinden nicht nur dabei helfen, Kosten zu senken, sondern auch die Abwasserentsorgung und die Energieinfrastruktur nachhaltiger zu gestalten.

Christopher Williams

Hawk wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Gauss Centre for Supercomputing (GCS) finanziert.