"Tue Gutes und lehre darüber": HPC-Weiterbildung am HLRS

Photo of training course in HLRS auditorium.
Das HLRS bietet hochmoderne Aus- und Weiterbildung im Bereich des Hochleistungsrechnens.

Unter anderem mit der Eröffnung eines neuen Gebäudes für HPC-Training, verstärkt das HLRS seine Bemühungen, seine Expertise mit akademischen und industriellen Forschern zu teilen.

Das Jahr 2017 war ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart (HLRS). Bei einer Einweihungsfeier am 14. Juli versammelten sich hochrangige Vertreter des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart, der Universität Stuttgart und weitere geladene Gäste, um die Eröffnung eines neuen HLRS-Gebäudes zu feiern. Dieses dient dem Zweck Professionelle im Umgang mit Höchstleistungsrechnen (HPC) zu schulen.

Die rund 1.000 m2 große und 6.8 Mio. € teure Einrichtung bietet einen hochmodernen Hörsaal, kleinere Seminarräume sowie Räumlichkeiten, die eine Erweiterung des Mitarbeiterstabes zulassen. Bereits jetzt lässt sich ein positiver Effekt auf die Qualität der Trainingsaktivitäten, Konferenzen und Symposien bescheinigen, die das HLRS anbietet. Die baden-württembergische Staatssekretärin für Finanzen Gisela Splett bezeichnete das HLRS als „Leuchtturm“ für Wissenschaft und Forschung und lobte die Eröffnung der neuen HLRS-Ausbildungsstätte als eine Veranstaltung, die die globale Reichweite des Zentrums erhöhen wird. „Hier trifft sich ein Netzwerk, das zu unserer wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit in Baden-Württemberg und in Europa auch für zukünftige Generationen eine ganz wichtige Rolle spielt“, so Gisela Splett.

Die Eröffnung eines neuen HLRS-Trainingszentrums war jedoch nicht die einzige Optimierungsmaßnahme der Ausbildungsaktivitäten des Zentrums in den letzten Jahren. Durch die Pflege von Kooperationen in seinem umfassenden Netzwerk und die Integration neuer pädagogischer Ansätze und Bildungstechnologien verfolgt das HLRS eine vielschichtige Strategie, die auf die Verbreitung technischen Wissens abzielt, das für den Einsatz von Höchstleistungsrechnen erforderlich ist.

„Sie kennen alle den Spruch: Tue Gutes und rede darüber“, so Simone Rehm, Prorektorin für Informationstechnologie (CIO) der Universität Stuttgart, bei der Einweihungsfeier. „Ich variiere diesen Spruch aus dem heutigen Anlass: Tue Gutes und lehre darüber.“ Da Schulungen bereits einen wichtigen Stellenwert in der HLRS-Strategie einnehmen, erhöht das Institut die Auswirkungen von Simulationstechnologien auf Forschung und Entwicklung.

Wichtige Lücken in Bildung und Schulung schließen

Die numerische Simulation bietet seit langem leistungsfähige Werkzeuge für Forschung und Entwicklung. Die Verwendung von Simulationen auf Supercomputern erfordern jedoch spezielles Wissen, das viele Wissenschaftler und Ingenieure während ihrer akademischen Ausbildung nicht vermittelt bekommen. Dr. Rolf Rabenseifner, Leiter des HLRS-Trainingsprogramms, bezeichnet es als „(…) das Ziel des HLRS, diese Nische anzusprechen und eine professionelle Weiterbildung zu bieten. Diese vermittelt essentielle praktische Fähigkeiten, die die Wissenschaftler im Umgang mit Simulationen brauchen, um komplexe Probleme zu lösen.“

Da es sich beim HLRS um ein nationales Höchstleistungsrechenzentrum an der Universität Stuttgart handelt, besteht die Mehrheit der Teilnehmer aus akademischen Wissenschaftlern, die an öffentlich geförderten Projekten arbeiten. Wenn junge Wissenschaftler beispielsweise anfangen in einem Labor zu arbeiten, das sich mit Problemen der Aerodynamik, der Klimamodellierung oder der Molekulardynamik befasst, werden sie häufig vom Labor an das HLRS weitergeleitet, um die HPC-Fähigkeiten zu erwerben, die für die Forschungsarbeit dieses Labors erforderlich sind.

Aus diesem Grund konzentriert sich das Kern-HLRS-Trainingsprogramm seit mehr als 20 Jahren auf die wichtigsten Grundkenntnisse, die HPC-Anwender benötigen: parallele Programmierschnittstellen, wie MPI oder OpenMP sowie Fortran und Advanced C ++ für Höchstleistungsrechnen und HPC-Architekturen. Im Laufe der Jahre wurde das Portfolio um weitere verwandte Themen wie Cluster-Dateisysteme und Leistungsoptimierung sowie spezialisierte HPC-Domänen, wie Visualisierung und Strömungsmechanik, erweitert.

Der von HLRS angebotene Schulungsplan befasst sich darüber hinaus mit den neuesten HPC Trends, Tools und Herausforderungen. So veranstaltete das HLRS im Jahr 2017 beispielsweise einen zweitägigen Workshop der von Cray (dem Erbauer des HLRS-Supercomputers Hazel Hen) und dem Hardware-Hersteller NVIDIA organisiert wurde und der die aufstrebenden Bereiche der künstlichen Intelligenz und Deep-Learning entmystifizierte. In der Region Stuttgart, die die Heimat einer großen High-Tech-Community darstellt und umgeben von Automobilherstellern wie Daimler und Porsche ist, sind diese Bereiche aufgrund ihrer Relevanz für zukünftige selbstfahrende Fahrzeuge auf großes Interesse gestoßen. Der Kurs umfasst dabei Themen wie Objekterkennung, Bildsegmentierung und neuronale Netze und ist der am häufigsten besuchte Kurs des Jahres 2017.

„Supercomputing und seine Anwendungen entwickeln sich ständig weiter und wir müssen mit diesen Trends Schritt halten“, sagt Rabenseifner. „In naher Zukunft erwarten wir beispielsweise eine Konvergenz zwischen Datenanalyse und Höchstleistungsrechnen, die neue Herausforderungen beinhalten wird. Die Mitarbeiter des HLRS werden ganz vorne dabei sein, um diese Konvergenz zu steuern und unser Schulungsprogramm wird es uns ermöglichen, das von uns gewonnene Wissen mit Menschen aus Wissenschaft und Industrie zu teilen, sodass deren Arbeit davon profitieren kann.“

Netzwerke aufbauen, Grenzen überschreiten

Die Schulungsaktivitäten des HLRS richten sich nicht nur an lokale Forscher, sondern bilden einen ehrgeizigen Ansatz zum Aufbau von HPC-Know-how in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt.

Als eines von drei Mitgliedern des Gauss Centre for Supercomputing e.V. (GCS) – einer Allianz, die das Rückgrat der nationalen HPC-Infrastruktur bildet – koordiniert das HLRS die HPC-Kurse. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit GCS-Partnern wie dem Jülich Supercomputing Centre, dem Leibniz-Rechenzentrum sowie anderen deutschen Supercomputingzentren wie der Technischen Universität Dresden, der Universität Siegen und der Universität Frankfurt. Um einen einfachen Zugang zu HLRS-Wissen gewährleisten zu können, finden nicht alle Veranstaltungen in Stuttgart statt, sondern werden auch an anderen Standorten angeboten.

Des Weiteren bietet das HLRS in seiner Funktion als Mitglied der Partnership for Advanced Computing in Europe (PRACE) auch hochmoderne Kurse im Bereich des PRACE Advanced Training Centres (PATC) für Wissenschaftler auf der ganzen Welt an. Neben dem traditionellen Unterricht unterstützt das HLRS auch bei der Entwicklung von sog. „massive open online course“ (MOOC) für das parallele Rechnen.

Um die Reichweite der technischen Expertise des HLRS zu erhöhen, bietet das Zentrum auch ein „Train the Trainer“-Programm mit einem auf Parallel Computing gesetzten Schwerpunkt an. Das Programm wurde gemeinsam mit an anderen Instituten tätigen Dozenten entwickelt und beinhaltet neben den neuesten Standards für MPI und OpenMP auch pädagogische Konzepte zur effektiveren Wissensvermittlung. Bisher hat das „Train the Trainer“-Programm des HLRS die Entwicklung neuer Kurse in Supercomputingzentren in Belgien und Österreich ermöglicht und für das Jahr 2018 ist eine Erweiterung des Angebots auch für die Niederlande und Irland vorgesehen.

Zu den internationalen Ausbildungskooperationen des HLRS gehört auch die alle zwei Jahre stattfindende zehntägige Deutsch-Russische Nachwuchswissenschaftlerschule und Konferenz für Paralleles Programmieren und Höchstleistungsrechnen in Nowosibirsk. Darüber hinaus werden auch Tutorien auf den jährlich stattfindenden Supercomputingkonferenzen, wie der ISC High Performance in Frankfurt oder der International Conference for High Performance Computing, Storage and Analysis (SC) in den Vereinigten Staaten, abgehalten.

Die Pflege des Netzwerks hat eine wichtige Onlinekomponente, da das HLRS seine aktualisierten Kursmaterialien über seine Website zur Verfügung stellt. „Indem wir elektronische Aufzeichnungen und Foliensets früherer Kurse zur Verfügung stellen“, erklärt Rabenseifner, „bieten wir Wissenschaftler/innen, überall und unabhängig von ihrer geografischen Lage, einen Zugang zu nützlichen Schulungsinformationen.“ Dieser „just-in-time“ Lieferansatz ermöglicht es den Wissenschaftler/innen auf das Wissen bei Bedarf zuzugreifen und gegebenenfalls Material nachzulesen bzw. zu überprüfen, deren Inhalt ihnen zwar im Kurs erklärt worden war, den sie aber möglicherweise noch nicht vollständig beherrschen. Durch die maximale Flexibilität sind die Wissenschaftler/innen in der Lage die großen Herausforderungen von HPC leichter zu bewältigen.

Die Supercomputing-Akademie: Weiterbildung für HPC-Anwender in der Industrie

Obwohl der traditionelle HLRS-Kursbesucher in der akademischen Forschung tätig ist, ist die Simulation auch für kleine und mittlere Feinmechanikunternehmen, die einen wichtigen Beitrag zur guten wirtschaftlichen Lage Baden-Württembergs leisten, von hoher Bedeutung. Viele dieser Unternehmen sind jedoch noch nicht groß genug, um interne Vollzeit-HPC-Experten anzustellen, die Schritt halten könnten mit Best Practices in der Programmierung und dem Datenmanagement.

Im Jahr 2016 hat das HLRS es sich zum Ziel gemacht diese kritische Wissenslücke zu schließen. Mit Zuschüssen in Höhe von 2,5 Millionen € aus dem Europäischen Sozialfond, vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und von der Universität Stuttgart konnte das HLRS ein Projekt zur Spezialisierung des Trainingsprogramms hinsichtlich der Bedürfnisse der Industrie beginnen. Die Initiative wird in Zusammenarbeit mit Partnern der Universität Freiburg, der Universität Ulm und Sicos BW entwickelt und 2018 für die Kursteilnehmer unter dem Namen Supercomputing-Akademie eröffnet.

„Die Supercomputing-Akademie stellt die nächste Generation der Fortbildung am HLRS dar“, so Dr. Andreas Wiese, CEO von SICOS BW, einer unabhängigen Organisation am HLRS, das den HPC-Zugang für kleine und mittelständische Unternehmen erleichtert. „So wie das neue Schulungsgebäude am HLRS physisch mit dem Gebäude verbunden ist, in dem sich Hazel Hen befindet, wird die Supercomputing-Akademie ein integraler Bestandteil der HLRS-Schulungen sein.“

Während der Lehrplanerstellung für die Supercomputing-Akademie hat sich das HLRS mit einigen Einschränkungen beschäftigen müssen, die den Zugang zum bestehenden Trainingsprogramm für die industriellen HPC-Benutzer erschwerten. „Von Anfang an haben wir uns im Dialog mit Vertretern der Industrie befunden, um ihre Bedürfnisse in Erfahrung zu bringen und um zu sehen, wie es um ihre HPC-Expertise bestellt ist“, so Markus Klietmann von Sicos BW.

Eine wichtige praktische Überlegung war, dass industrielle HPC-Benutzer in der Regel nicht die Zeit haben, Tage oder Wochen ihrer Arbeitszeit zu nutzen, um an Schulungen in einem „traditionellen Klassenzimmer“ teilzunehmen. Aus diesem Grund wird die Supercomputing-Akademie einen pädagogischen Ansatz namens Blended Learning nutzen, der eine Kombinationen der besten Eigenschaften von Lernen im Klassenzimmer und Online-Lernen darstellt. Die Kursteilnehmer werden den Dozent und die Studenten vor Ort am HLRS treffen, obwohl der Großteil des Unterrichts online stattfinden wird. Zusätzlich zum individuellen Lernen, welches die Teilnehmer zu einem ihnen passenden Zeitpunkt durchführen können, wird es virtuelle Klassenzimmer geben, in denen sie sich jede Woche online treffen, sodass Ideen ausgetauscht und Fragen an die Trainer gestellt werden können.

Wenn man bedenkt, dass der typische industrielle Anwender acht bis zehn Stunden am Tag arbeitet und familiär eingebunden ist und sich anschließend noch Zeit finden muss, um für die HPC-Kurse zu lernen, bietet der Blended Learning-Ansatz eine sehr flexible Gestaltungsmöglichkeit. Die interaktive Dimension wird den Teilnehmern auch wertvolle branchenübergreifende Perspektiven bieten, die sie andernfalls nicht erhalten würden.

Die Supercomputing-Akademie wird im April 2018 mit einem Modul starten, das sich auf parallele Programmierung konzentriert. Zurzeit befindet sich das HLRSTeam in der Frühphase der Entwicklung zusätzlicher Module, die in den kommenden Jahren erscheinen werden. Zukünftige Themen des Moduls werden voraussichtlich HPC Cloud Computing, Leistungsoptimierung, ökonomische und ökologische Aspekte von HPC, Simulation, Visualisierung und Datenmanagement sein.

Eine weitere interessante Dimension des Curriculums der Supercomputing-Akademie ist ihr modularer Charakter. Dies wurde auch bewusst auf der Grundlage von Interviews mit Branchenvertretern durchgeführt, die verschiedene Arten von HPC-Nutzern aufzeigten. Dazu gehören Ingenieure, für die HPC eine wichtige Komponente bei der Produktentwicklung darstellt, Programmierer, deren Code für den Betrieb auf den HPC-Systemen optimiert werden muss und Rechenressourcenmanager, die gewährleisten müssen, dass die Mitarbeiter in ihrem Unternehmen über die erforderlichen Computerressourcen verfügen. Ähnlich wie ein Chamäleon, versucht das HLRS sich den variierenden Benutzerbedürfnissen anzupassen.

„Wissen und Erfahrung im Bereich HPC gibt einem Unternehmen gewisse Vorteile“, so Hanna Skubski, Projektkoordinatorin der Supercomputing-Akademie am HLRS. „Die Supercomputing-Akademie wird das Wissen der HLRS-Experten in der Industrie auf eine Art und Weise transferieren, die letztlich ihrer Innovationsfähigkeit zugutekommen wird.“

Mehr als ein Gebäude

Datenanalyse, -simulation und -visualisierung werden in den kommenden Jahren für Grundlagenforschung, Feinmechanik und andere Bereiche an Bedeutung gewinnen. Um die Vorteile dieser Tools ausnutzen zu können, muss das HLRS nicht nur seine erstklassige Supercomputing-Infrastruktur pflegen, sondern auch seine Nutzer im effizienten und effektiven Umgang befähigen.

„Das neue HLRS-Trainingszentrum war für uns ein großer Schritt nach vorne“, so HLRS-Direktor Michael Resch. „Aber am Ende des Tages sind ein Gebäude und ein Supercomputer nur so wertvoll wie das, was Menschen damit machen. In diesem Sinne muss die Weiterentwicklung unserer Trainingsangebote – insbesondere für die Industrie – ein wesentlicher Bestandteil der Aktivitäten des HLRS sein. Sie werden das HLRS weiterhin als führendes wissenschaftliches Zentrum für Simulationstechnik in Deutschland und in Europa positionieren und den hiesigen Wissenschaftlern und Unternehmen letztendlich eine möglichst globale Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen.“

Christopher Williams