Simulation für Krisenmanagement in Behörden

Foto eines Warnschildes mit Überschwemmungen auf einer Straße im Hintergrund
Simulationen mit Hilfe von Supercomputern könnten den Behörden helfen, sich auf Notsituationen wie Überschwemmungen, Pandemien oder Migrationsereignisse vorzubereiten und diese zu bewältigen. Foto: Adobe Stock

Innerhalb des CIRCE-Projekts wurden Anwendungen des Supercomputing für die Krisenprävention und -management vorgestellt, sowie praktische Herausforderungen ermittelt, die zu bewältigen sind.

Die jüngsten Überschwemmungen in Süddeutschland, Thüringen und dem Saarland haben ernüchternd vor Augen geführt, dass Naturkatastrophen, Pandemien und andere Krisensituationen schnell eintreten und verheerende Folgen haben können. Für die öffentliche Verwaltung auf kommunaler, regionaler, Landes- und Bundesebene stellt die Vorbereitung auf solche Ereignisse und deren Bewältigung eine enorme Herausforderung dar, insbesondere in Anbetracht der schwer vorhersehbaren Folgen des Klimawandels.

Das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) hat untersucht, wie Simulationen mit Supercomputern die öffentliche Hand bei der Bewältigung solcher Herausforderungen unterstützen können. „Das HLRS ist ein öffentlich finanziertes Forschungsinstitut, und wir wollen mit diesen wertvollen Maschinen auch einen Beitrag für die Gesellschaft und Politik leisten“, sagte Dr. Bastian Koller, Geschäftsführer des HLRS. „Während der Pandemie zeigte sich, dass ein Bedarf an Krisencomputing besteht. Wie sich Supercomputer nutzen lassen, war für einige Behörden noch unklar. Für uns stellt sich die Frage, wie wir bei Stakeholdern aus dem öffentlichen Bereich unter anderen ein Verständnis dafür schaffen können, dass sie Höchstleistungsrechner sowohl präventiv als auch in unmittelbaren Krisenfällen einsetzen können.“

Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat das HLRS eine Studie zur Planung eines Computational Immediate Response Center for Emergencies (CIRCE) durchgeführt. Ein solches Zentrum würde den Behörden in Krisensituationen schnellen Zugang zu Computerressourcen für groß angelegte Simulationen und Datenanalysen bieten. Im Dialog mit Behördenvertreter:innen und mittels praktischer Pilotprojekte hat CIRCE Informationen darüber gesammelt, welche Bedürfnisse öffentliche Einrichtungen haben, wie High-Performance-Computing (HPC) bei der Bewältigung dieser Herausforderungen helfen könnte und welche technischen sowie administrativen Überlegungen relevant sind, damit ein Computational Response Center sofort die Ressourcen und das Fachwissen für den Bedarfsfall bereitstellen kann.

Am 11. Juni 2024 veranstaltete das CIRCE-Team ein ganztägiges Symposium in Berlin, auf dem die vorläufigen Ergebnisse vor Vertreter:innen der öffentlichen Verwaltung und Experten für Katastrophenschutz vorgestellt wurden. Ein vollständiges Video der Veranstaltung ist unter folgendem Link verfügbar: https://www.youtube.com/live/68j7lDTJuyc

Über allgemeine Einblicke in die Anforderungen an ein computergestütztes Katastrophenschutzzentrum hinaus wurden in den Vorträgen auch die Einsatzmöglichkeiten von Simulation, künstlicher Intelligenz und Datenvisualisierung für das Krisenmanagement aufgezeigt. Datenwissenschaftler der deutschen Bundesbehörden bereicherten die Tagung, indem sie beschrieben, wie Daten derzeit in der staatlichen Planung und Entscheidungsfindung eingesetzt werden, und gaben Einblicke in die praktischen Herausforderungen des komplexen föderalen Systems in Deutschland.

Simulation für Pandemien, Überschwemmungen und andere Notfallsituationen

Die Idee zu CIRCE entstand 2020 in den ersten Monaten der COVID-19-Pandemie. Dr. Sebastian Klüsener vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) bat das HLRS um Unterstützung bei der Durchführung einer Simulation zur Bewältigung der Belastungen des deutschen Gesundheitssystems. Gemeinsam entwickelten und implementierten das HLRS und das BiB eine Simulation, die die Auslastung von Intensivstationen in jedem deutschen Landkreis bis zu vier Wochen im Voraus prognostizierte. Mithilfe von Analysemethoden, die am BiB entwickelt wurden und auf dem Supercomputer Hawk am HLRS liefen, erstellte das Prognosetool automatisch Berichte, die an die mit dem Gesundheitsmanagement befassten Bundesministerien geschickt wurden. Die Zusammenarbeit wurde 2022 mit einem HPC Innovation Award ausgezeichnet.

Im CIRCE-Projekt hat sich das HLRS mit Vertreter:innen von deutschen Behörden getroffen. Wichtige Ziele sind, sie für die Möglichkeiten des Höchstleistungsrechnens zu sensibilisieren und ihre Sicht der Herausforderungen zu erfahren. Dieser Austausch führte zu einer Zusammenarbeit mit der Duisburger Feuerwehr, die sich auf die Entwicklung eines Simulationswerkzeugs zur Vorhersage von Überschwemmungen am Rhein konzentriert. Dazu gehört auch die Untersuchung der komplexen Frage, wie sich Barrieren an Unterführungen unter einer Bahnlinie in Flussnähe auf den Wasserfluss durch das Kanalnetz der Stadt auswirken würden. Mit einem solchen Instrument könnte die Feuerwehr besser vorhersagen, welche Gebiete evakuiert werden sollten und wo sich Rettungsgeräte für den Einsatz am sichersten bereitstellen lassen.

 

In Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Duisburg entwickelt das HLRS ein Simulation zur Vorhersage von Hochwasser am Rhein. Sie könnte eine Echtzeit-Unterstützung für den Einsatz in Notfallsituationen bieten.

Wie Dennis Hoppe vom HLRS auf dem Berliner Symposium erläuterte, sind Simulation, künstliche Intelligenz und Datenanalyse Werkzeuge, mit deren Hilfe sich viele potenzielle Krisensituationen lösen ließen. Das HLRS hat sich beispielsweise an der Entwicklung von Software zur Simulation von Wetter, geologischen Risiken wie Erdbeben und Vulkanen, Luftverschmutzung, städtischen Energiesystemen und Windparks beteiligt. Mit den neuen Technologien seien auch andere Anwendungen denkbar, etwa die Entsendung von Drohnen zu Waldbränden, um Daten an ein Rechenzentrum zu übermitteln, das die Brandbekämpfung durch Simulation in Echtzeit unterstützen könnte. Im HiDALGO2-Projekt entwickelten Wissenschaftler vom HLRS und ihre Partner auch Instrumente zur Vorhersage von Flüchtlingsströmen, die vor Naturkatastrophen oder Kriegen fliehen. Der Ansatz könnte Behörden helfen, sich auf deren Ankunft vorzubereiten.

Eine frühzeitige Vorbereitung ist unerlässlich

Dr. Ralf Schneider vom HLRS hat die Zusammenarbeit des Zentrums mit dem BiB und der Duisburger Feuerwehr geleitet. Er sieht große Chancen für den Einsatz von Simulationen in Notfallsituationen. Allerdings ist der Schlüssel zum Erfolg, sich auf die Entwicklung der richtigen Anwendungen zu konzentrieren und sicherzustellen, dass sie zuverlässige Informationen liefern: „Simulation ist wie eine moderne Kristallkugel. Aber die Kristallkugel transparent zu machen, ist ein wesentlicher Punkt. Darauf konzentrieren wir uns aktuell.“

CIRCE hat zwei mögliche Krisenanwendungen untersucht. Bei der ersten könnten Supercomputer sofortige, automatisierte Warnungen und Daten zur Unterstützung von Notfallmaßnahmen und Krisenmanagement liefern. Mittels Gesprächen mit Partnern des HLRS in Japan erfuhr das Team beispielsweise, dass nach den Verwüstungen durch den Tohoku-Tsunami im Jahr 2011 Bojen im Pazifischen Ozean verankert wurden, um Druckwellen zu messen, die von Unterwasser-Erdbeben herrühren. Wenn die Bojen ein Erdbeben feststellen, senden sie sofort ein Signal an einen Empfänger an Land, wo es ausgewertet wird, um festzustellen, ob ein Tsunami im Anmarsch ist. Dieses Schnellreaktionssystem schafft Zeit, um einen Evakuierungsalarm für die Küste auszusprechen. An anderen Orten könnten ähnliche Anwendungen die schnelle Reaktion auf Überschwemmungen, Waldbrände oder die Freisetzung giftiger Chemikalien unterstützen.

Crisis Computing lässt sich auch über längere Zeiträume zur Überwachung potenzieller Risiken einsetzen. Ein gängiges Beispiel ist die Wettersimulation zur Vorhersage schwerer Regenfälle, aber dieser Ansatz könnte auch nützlich sein, um die Ausbreitung von Infektionen während eines Krankheitsausbruchs zu verfolgen oder um sicherzustellen, dass genügend Blut für die medizinische Versorgung bereitsteht.

In beiden Anwendungen von Krisensimulationen muss zunächst sichergestellt werden, dass die erforderlichen Daten verfügbar sind. Die zunehmenden digitalen Ressourcen vieler öffentlicher Einrichtungen – von geografischen Daten über Gebäudeinformationen bis hin zu demografischen Daten und Messungen der Umweltqualität – bieten reichhaltige Ressourcen, um Simulationswerkzeuge für Krisensituationen zu entwickeln. Schneider erklärte, dass das Duisburger Projekt gezeigt hat: Wenn eine Behörde einen Bedarf feststellt, ist oft eine Datenaufbereitung notwendig, um die erforderlichen Datensätze zu erstellen. In Duisburg beispielsweise bestand eine Herausforderung für die Partner darin, neue Karten zu entwickeln, die zwei- und dreidimensionale Darstellungen von Gebäuden und Landschaften sowie andere relevante Informationen wie die Geometrien von Brückenunterführungen und die Topografie des Rheinbetts umfassen. Die Entwicklung dieser Karten wird zu genaueren Simulationen führen.

Darüber hinaus erfordern die Erstellung und Prüfung solcher Simulationen sowohl technisches Fachwissen als auch lokale Kenntnisse. An dem Duisburger Projekt waren Expert:innen für Hochwasserschutz und Strömungsdynamik beteiligt, und es waren Vor-Ort-Inspektionen des Gebiets erforderlich, um zu bestätigen, dass die in die Simulation eingegebenen Daten die physikalische Realität vor Ort angemessen wiedergeben. Da die Simulation fast fertiggestellt ist, rechnet Schneider auch damit, dass Experten die Ergebnisse überprüfen und validieren müssen. Nur so können die Nutzer:innen der Simulation sicher sein, dass die resultierenden Informationen zuverlässig sind.

Juliane Braun: „Wir können nicht darauf vertrauen, dass wir just in der ad hoc Lage verhandlungsfähig sind, sondern müssen auch im Vorfeld schon aktiv werden.“ Foto: Miguel Ángel Cano Santizo

 

Trotz der bestehenden Daten- und HPC-Infrastrukturen in Deutschland ist noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass im Ernstfall alle Teile vorhanden sind. So wie die Feuerwehr und die Polizei Technologien anschaffen und sich einer Schulung unterziehen, bevor sie sie im Einsatz verwenden, sind auch umfangreiche Vorbereitungen erforderlich, um Computerwerkzeuge für die Notfallhilfe vorzubereiten. „Wir können nicht darauf vertrauen, dass wir just in der ad hoc Lage verhandlungsfähig sind, sondern müssen auch im Vorfeld schon aktiv werden“, erklärt Juliane Braun, Chief Data Scientist des Bundesministeriums des Innern und für Kommunales (BMI). „Wir müssen Anforderungen definieren. Wir müssen eben schauen, wie wir vielleicht modellieren können, was aber auch die Grenzen der Modellierung sind und wo wir noch mal nachsteuern sollten, um eine hilfreiche Toolbox zu erhalten.“

Dies umfasst nicht nur die Entwicklung von Simulationssoftware, sondern auch die Sicherstellung von Überwachungsverfahren, Kommunikationssystemen und Leitlinien für die Entscheidungsfindung, bevor eine Krisencomputeranwendung in Betrieb genommen wird. Solche Vorbereitungen gewährleisten, dass die Datenerfassung und -aufbereitung, die Berechnung der Simulation und die Auswertung der Simulationsergebnisse schnell und automatisch erfolgen.

Krisenvorbereitung in HPC-Zentren

Die Entwicklung der Rechenanwendungen für Krisensituationen ist etwas, das Höchstleistungsrechenzentren wie das HLRS nicht allein bewältigen können. In vielen Bereichen – einschließlich Wissenschaft, Ingenieurwesen und Industrie – bringen die Nutzer des HLRS bereichsspezifisches Fachwissen mit und wenden sich ans Zentrum, wenn ihre Simulationen zu groß für die ihnen zur Verfügung stehenden Rechenressourcen werden. Was HPC-Zentren bieten können, sind nicht nur große Supercomputer, die komplexe Simulationen schneller ausführen, sondern auch Expert:innen, die die Benutzer beim effektiven Betrieb der Supercomputer unterstützen. „Wir sind Experten in der Bedienung des Rechners“, so Schneider, „Die Fähigkeiten, die der Bedarfsträger mitbringen muss, sind in der Interpretation der Ergebnisse und möglicher Abweichungen.“

Bei der Zusammenarbeit mit dem BiB während der Pandemie beispielsweise arbeiteten Schneider und andere technische Mitarbeitende des HLRS mit Klüsener zusammen, um seinen Algorithmus so zu optimieren, dass er effizient auf dem Supercomputer Hawk lief. Die Simulation nutzte aktuelle Infektionsraten, demografische Daten und Modelle zur Bewegung von Personen innerhalb und zwischen Bezirken, um vorherzusagen, wo der Bedarf an Krankenhausaufenthalten am größten sein würde. Während der Entwicklung der Simulation half das HLRS bei der Beantwortung verschiedener technischer Fragen, z.B. bei der Bestimmung der optimalen Größe einer zuverlässigen Simulation, bei der Verbesserung der Effizienz des Simulationsablaufs auf Hawk und bei der Einrichtung von Daten-Workflows, damit die neuesten Eingabedaten automatisch in die Simulation einfließen.

Dr. Sebastian Klüsener vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung arbeitete mit dem HLRS zusammen, um ein Instrument zur Vorhersage der Belegung von Intensivstationen während der COVID-19-Pandemie zu entwickeln. Foto: Miguel Ángel Cano Santizo

Die Zusammenarbeit zwischen HPC-Zentren und öffentlichen Einrichtungen erfordert auch eine langfristige Planung, um die Nachhaltigkeit von Krisensimulationen zu gewährleisten. Dazu gehört die Entwicklung von Notfallplänen für die regelmäßige Wartung oder Aufrüstung der Supercomputing-Infrastruktur, um sicherzustellen, dass Krisensimulationen immer zugänglich sind. Gleichzeitig müssen die Programmierer die Software auf dem neuesten Stand halten, damit die Eingabedaten lesbar bleiben, der gesamte Arbeitsablauf weiterhin ausführbar ist und die Simulationsergebnisse auch dann noch genau bleiben, wenn sich die Architekturen von Supercomputing-Systemen weiterentwickeln.

Bastian Koller wies auch darauf hin, dass das HLRS nicht die Absicht hat, Lösungen für jedes Krisensimulationsproblem zu bieten. „In Deutschland gibt es zwei weitere Bundeshöchstleistungsrechenzentren sowie mehrere kleinere, aber ebenso leistungsfähige Rechenzentren im Verbund für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR)“, sagte er. „Letztendlich wird der Austausch mit Fördergebern die Voraussetzung für einen Mechanismus, der definiert, was möglich ist und wer Zugang haben sollte.“ Eine solche Entscheidungsfindung wird zum Teil davon abhängen, inwieweit große Maschinen wie Hawk für die Ausführung spezifischer Anwendungen für das Krisenmanagement erforderlich sind, sowie von allgemeinen Verfahren zur Finanzierung des Zugangs zu HPC-Ressourcen in Notfällen.

Zusammenarbeit, Datenaustausch und Standardisierung zwischen den Behörden sind erforderlich

Mit 294 Landkreisen und weiteren 107 kreisfreien Städten ist die öffentliche Verwaltung in Deutschland stark zersplittert. Aus diesem Grund wäre es weder praktisch noch effizient, wenn jede Kommune ihre eigenen Speziallösungen entwickeln würde. Stattdessen, so Braun, sei eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Verwaltungen erforderlich, um Anwendungen zu entwickeln, die landesweit nutzbar sind: „Wir brauchen ein stärkeres Netzwerk, damit wir gemeinsam identifizieren können, wo wir Verhandlungspunkte haben und wie wir diese auch lösen können.“

In den letzten Jahren haben Bundesbehörden wie das BiB, das BMI und das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) umfangreiche Datenbestände aufgebaut und unterstützen bei der Datenanalyse. Laut Dr. Thomas Wiatr, Leiter des satellitengestützten Krisen- und Lagedienstes des BKG, sammelt die Behörde regelmäßig Geoinformationen mit Fernerkundungsinstrumenten, die Deutschland bis zu einer Auflösung von nur 30 cm abdecken. Das BKG versteht sich als Dienstleister, der diese Daten anderen öffentlichen Stellen wie Polizei und Feuerwehr zur Auswertung zur Verfügung stellt. „Wir haben in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg der Anfragen nach unseren Analyseprodukten zu verzeichnen“, so Wiatr. Dies zeigt, dass die Daten verfügbar sind und das Interesse an ihrer Nutzung für die öffentliche Verwaltung besteht.

Eine große Herausforderung für den Einsatz von Supercomputing in Krisensituationen ist die bessere Nutzung solcher Daten. Mit Blick auf die Arbeit des BMI betonte Braun: „Wir haben sehr viele, sehr gute Angebote. Wenn wir in Krisenlagen noch handlungsfähiger werden wollen, sollten wir diese Angebote noch enger miteinander verzahnen und verstärkt miteinander reden, wo wir Grundlagenarbeit gemeinsam leisten müssen.“ Dazu könnten Fragen zum Datenschutz sowie zur regelmäßigen und zuverlässigen Verfügbarkeit der Daten gehören.

Nach Ansicht von Christian von Spiczak-Brzezinski von der Duisburger Feuerwehr wäre eine behördenübergreifende Koordination der Entwicklung von Simulationswerkzeugen nicht nur effizienter, sondern würde auch die Konsistenz und Interoperabilität verbessern. Foto: Miguel Ángel Cano Santizo

Christian von Spiczak-Brzezinski vertritt die Duisburger Feuerwehr bei der Zusammenarbeit mit dem HLRS und zeigte sich beeindruckt von den Möglichkeiten des HPC. „Alleine was schon verfügbar ist und was das HLRS leisten kann, ist enorm“, sagte er. „Das sind Dinge, die bei den Behörden noch nicht verfügbar sind. Aus unserer Perspektive wäre es gar nicht so wichtig, nach besseren oder tolleren Werkzeugen zu streben, sondern erst einmal zu implementieren, was aktuell verfügbar ist.“ Hier besteht die Herausforderung darin, den Dialog zwischen Höchstleistungsrechenzentren, datenaffinen Behörden und anderen Akteuren auf staatlicher und lokaler Ebene zu verbessern. Dadurch könnten wir besser verstehen, welche Instrumente verfügbar sind, und gemeinsam herausfinden, wie sie sich am effektivsten nutzen lassen.

Eine bessere Koordinierung könnte auch finanzielle Vorteile mit sich bringen. „Es kostet das drei-, vier- oder fünffache, wenn jede Kommune sich einzeln bei CIRCE oder dem HLRS meldet und selbst eine Lösung für den eigenen Bedarf entwickelt, als wenn wir ein Konzept entwickeln, dass allen zur Verfügung gestellt wird“, so Spiczak-Brzezinski. Dies hätte den zusätzlichen Vorteil, dass derartige Simulationswerkzeuge einheitlicher, interoperabler und weithin verfügbar wären. In Bezug auf sein spezifisches Projekt könnte dies eine bessere Koordination und Zusammenarbeit zwischen Ersthelfer:innen, Wasserwirtschaftsexpert:innen und anderen Beteiligten ermöglichen.

Eine Kultur der Datennutzung schaffen

Wie das CIRCE-Symposium gezeigt hat, bietet Simulation viele Möglichkeiten, öffentliche Verwaltungen bei der Bewältigung von Risiken und Krisen zu unterstützen. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, benötigen Höchstleistungsrechenzentren wie das HLRS jedoch Partner auf lokaler, Landes- und Bundesebene, die die Herausforderungen formulieren und sich für die Entwicklung und Umsetzung von Lösungen einsetzen können. Dies erfordert nicht nur, dass öffentliche Verwaltungen mehr Zeit in die Szenarioplanung investieren, sondern auch, dass sie die digitalen Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden verbessern. Über ihre Erfahrungen beim BMI sagte Braun: „In unserer Beratung stellen wir sehr unterschiedliche Fähigkeiten fest. Die einen können Excel-Tabellen öffnen und vielleicht auch ein bisschen bearbeiten, die nächsten sind schon dabei, die Dashboards weiterzuentwickeln. Da ist sehr viel Bandbreite. Uns geht es darum, die Datenkompetenz insgesamt in den Behörden zu verstärken. Wir müssen auch Netzwerke bauen, damit wir bestehende Kompetenzen noch stärker bündeln.“

Wie mehrere Workshop-Teilnehmer betonten, wird der Aufbau von Interesse und Kompetenz für digitale Lösungen zur Bewältigung von Krisensituationen die Fähigkeit der öffentlichen Verwaltung verbessern. So wären sie besser ausgerüstet, Tools zu konzipieren, die ihre Arbeit erleichtern könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Öffentlichkeitsarbeit und Schulungen erforderlich. Als hauptamtlicher Vorstandvorsitzender von KommunalCampus konzentriert sich Dr. Alexander Bode auf die Bereitstellung von Weiterbildungsangeboten und digitalen Plattformen für Verwaltungsmitarbeitende. Sein Ziel ist es, die Digitalisierung und das föderale System Deutschlands in Einklang zu bringen. „Kommunen haben Aufgaben zu lösen, die überall in Deutschland gleich sind“, sagt Bode. „Tätigkeiten wie die Erhebung der Hundesteuer oder die KFZ-Zulassung sind Themen, die wir ohne Probleme zentralisieren und in einer höheren Instanz voll automatisieren könnten. Dann wären die richtigen Kapazitäten vor Ort frei — für das Jugendamt und andere Aufgaben, bei denen man nah an den Menschen sein muss.“ Ein solcher koordinierter Ansatz könnte auch das Potenzial haben, die Nutzung von Krisencomputeranwendungen zu steigern.

Die Redner wiesen darauf hin, dass eine bessere Kommunikation seitens der Experten für digitale Technologien auch erforderlich ist, um das weit verbreitete Misstrauen oder sogar die Angst vor neuen Technologien wie KI zu überwinden. Bastian Koller wies darauf hin, dass IT- und KI-Fachleute in der Regel nicht in der Kommunalverwaltung arbeiten. Daher ist eine umfassendere Aufklärung erforderlich, damit Bürger:innen ihren potenziellen Wert für die Rationalisierung der Verwaltung verstehen und möglicherweise auch dazu beitragen können, den derzeit in vielen Bereichen zu beobachtenden Fachkräftemangel zu beheben.

Dr. Bastian Koller: „Ich sehe, dass ein Umdenken beginnt... Je mehr Leute das sehen und je mehr Leute das gut finden, desto weiter werden wir kommen." Foto: Miguel Ángel Cano Santizo

Als Gründer und Koordinator des Nationalen Kompetenzzentrums (NCC) für Höchstleistungsrechnen in Deutschland hat das HLRS Erfahrung in der Identifizierung und Koordinierung von Ressourcen und Fachwissen in den Bereichen Simulation, künstliche Intelligenz, Visualisierung und anderen HPC-Technologien. In dieser Rolle dient das NCC auch als zentrale Anlaufstelle für Forschende und Vertreter:innen der Industrie, die Fragen zum Zugang zu HPC-Fähigkeiten haben. In Zukunft könnte CIRCE eine ähnliche Rolle im Bereich des Krisencomputings spielen. So ein Krisenzentrum könnte als Anlaufstelle für Vertreter von Behörden dienen, die Ideen haben, wie HPC ihnen bei der Krisenbewältigung helfen könnte. Bei CIRCE könnten sie Unterstützung in der Kontaktaufnahme mit anderen Organisationen bekommen, die über die Daten, das Fachwissen und die Computerressourcen verfügen, die für die Umsetzung ihrer Visionen in nützliche Werkzeuge benötigt sind.

Auf der CIRCE-Konferenz sagte Koller, dass das HLRS beim Ausbau der Notfall-Simulationsfähigkeiten in Deutschland nicht allein dastehen kann, sondern weitere datenorientierte Verbündete in der öffentlichen Verwaltung finden muss. „Ich sehe, dass ein Umdenken beginnt“, sagte er abschließend. „Wir werden weiterhin versuchen müssen, es auszubauen und kommunikativ nach außen zu tragen. Ich stelle mir ein Schneeballprinzip vor – je mehr Leute das sehen und je mehr Leute das gut finden, desto weiter werden wir kommen. Sobald dieses Bewusstsein von Entscheidungsträgern ganz oben bis auf kleinster Ebene unten angekommen ist, wird dieses Umdenken Akzeptanz in der Gesellschaft finden.“

Christopher Williams

Erfahren Sie mehr

Um mehr über CIRCE zu erfahren oder zu erkunden, wie Simulationen Ihrer Gemeinde beim Krisenmanagement helfen könnten, besuchen Sie: https://www.circe-projekt.de.

Das vollständige Video des CIRCE-Workshops in Berlin ist verfügbar unter https://www.youtube.com/live/68j7lDTJuyc.